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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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finanziert hatten und als er ein Stipendium für die letzten Semester bis zum Magisterexamen in der Tasche hatte. Ansonsten hätte er den Eklat vielleicht noch hinausgezögert und ihnen noch ein bisschen Geld für das Studium aus der Tasche geleiert.«
    Dusty kannte Skeets Vater – den angeblichen Holden Caulfield –, und er kannte ihn nur zu gut, weil dieser aufgeblasene Schweinehund nämlich sein Stiefvater war. Trevor Penn Rhodes, Dustys Vater, war der zweite in der Liste der vier Ehemänner seiner Mutter gewesen, Holden Sam Caulfield Farner der dritte. Von Dustys viertem bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr hatte dieser selbst ernannte Edelmann mit einem Autoritätsanspruch und einem soziopathischen Ingrimm, für die Hannibal Lecter ihm auf die Schulter geklopft hätte, als Herrscher von Gottes Gnaden ein selbstherrliches Regiment über die Familie geführt. »Er hat behauptet, seine Mutter sei Professorin in Princeton gewesen, sein Vater Professor in Rutgers. Alle diese Geschichten …«
    »Sind nicht biografisch«, sagte Skeet bestimmt. »Eine frei erfundene Lebensgeschichte.«
    »Und ihr tragischer Tod in Chile …?«
    »Erstunken und erlogen.« In Skeets blutunterlaufenen Augen glühte ein Funke, der Rachegelüste verriet. Einen Moment lang wirkte der Junge weder verzweifelt noch verhärmt und am Boden zerstört, sondern er schien von einer wilden, kaum verhohlenen hämischen Freude erfüllt zu sein.
    »Hat er sich so gründlich mit Colonel Farner zerstritten, dass er seinen Namen ändern wollte?«, fragte Dusty »Wahrscheinlich hat ihm bloß Der Fänger im Roggen gefallen.«
    »Na ja«, sagte Dusty etwas erstaunt, »vielleicht hat ihm das Buch gefallen, aber hat er es wirklich begriffen?« Was eine alberne Frage war. Skeets Vater hatte einen Verstand, der so flach wie eine Petrischale war, und die Kulturen, die er darin in rascher Folge züchtete, waren kurzlebige Schwärmereien, die meist nicht weniger destruktiv waren als Salmonellen. »Wer würde schon gern Holden Caulfield sein?«
    »Sam Farner, mein guter alter Herr Papa. Und ich wette, es hat seiner Universitätskarriere nicht geschadet. In seinen Kreisen prägt sich ein solcher Name ein.«
    Hinter ihnen ertönte eine Hupe. Die Ampel war von Rot auf Grün umgesprungen.
    Während er wieder anfuhr, fragte Dusty: »Woher weißt du das alles?«
    »In erster Linie … aus dem Internet.« Skeet richtete sich etwas auf und strich sich mit den knochigen Fingern die nassen Haare aus dem Gesicht. »Zuerst habe ich mir auf der Homepage von Rutgers das Verzeichnis der Fakultätsmitglieder angesehen, in dem alle aufgelistet sind, die je dort unterrichtet haben. Dasselbe mit Princeton. An keiner der beiden Universitäten gab es je einen Professor oder eine Professorin mit dem Namen seiner Eltern. Seiner Fantasieeltern , meine ich.«
    In seiner Stimme schwang unverkennbar ein Anflug von Stolz mit, als er von den Strapazen erzählte, die er auf der Suche nach der Wahrheit über seinen Vater auf sich genommen hatte. Diese detektivische Leistung hatte ihm einiges an Kraftanstrengung, kreativem Denken und vor allem nüchterner Logik abgefordert.
    Die Vorstellung, dass dieser zerbrechliche Junge, der vom Leben ebenso gebeutelt war wie von seiner Sucht und seinen Neurosen, die Kraft aufgebracht hatte, sich so intensiv und so lange mit einer Sache zu beschäftigen, bis sie zu Ende gebracht war, erstaunte Dusty.
    »Der alte Herr meines alten Herrn, Colonel Farner … der ist schon lange tot«, sagte Skeet. »Aber Luanne, seine Mutter, lebt noch. Sie ist achtundsiebzig, und sie wohnt in Cascade, Colorado.«
    »Deine Großmutter also«, warf Dusty ein.
    »Bis vor drei Wochen wusste ich nichts von ihrer Existenz. Hab zweimal mit ihr telefoniert. Sie scheint echt nett zu sein, Dusty. Hat ihr das Herz gebrochen, als ihr einziger Sohn nichts mehr von ihnen wissen wollte.«
    »Wie kam es eigentlich dazu?«
    »Politische Differenzen. Frag mich nicht, was das zu bedeuten hat.«
    »Er wechselt seine Überzeugungen so oft wie seine Designersocken«, sagte Dusty. »Es muss einen anderen Grund gegeben haben.«
    »Nach dem, was Luanne sagt, nein.«
    Der Stolz auf seine Leistung, der Skeet die Kraft gegeben hatte, seine Schultern ein bisschen zu straffen und den Kopf höher zu tragen, reichte nicht mehr, ihn aufzurichten. Langsam sackte er wieder in sich zusammen und zog sich wie eine Schildkröte in seinen Panzer aus aufsteigendem Dampf, feuchtem Geruch und schlapp herunterhängenden,

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