Stimmen der Angst
worden waren, hatten offenbart, wie sich der chemische Cocktail zusammensetzte, mit dem er den Tag begonnen hatte: Methamphetamin, Kokain und DMT. Koks und Methamphetamin, Letzteres auch als Ecstasy bekannt, wirkten stimulierend. Dimethyltryptamin – DMT – war ein Halluzinogen, ähnlich dem Alkaloid Psilocybin, das aus dem Pilz Psilocybe mexicana gewonnen wird. Zusammen genommen ergab das ein Frühstück, das etwas mehr Pep hatte als Müsli und Orangensaft.
Die Analyse der Blutprobe, die man Skeet während seines komaähnlichen Schlafs abgenommen hatte, war noch nicht abgeschlossen; die Urinprobe, die über einen Katheter entnommen worden war, hatte jedoch ergeben, dass seinem Organismus keine weiteren Drogen mehr zugeführt worden waren und dass darüber hinaus sein Körper das Methamphetamin, Kokain und DMT weitgehend abgebaut hatte. Jedenfalls würde ihn der Todesengel, der ihn animiert hatte, sich vom Dach der Sorensons zu stürzen, vorerst nicht mehr behelligen.
»Der zweite Bluttest wird den Befund bestätigen«, mutmaßte Donklin. »Denn, wie gesagt, Urin lügt nicht. Oder, etwas salopper ausgedrückt … Im Pinkeln liegt Wahrheit. Dabei kann man keine falschen Tatsachen vortäuschen.«
Dusty fragte sich, ob der Arzt früher in seiner Privatpraxis ebenso locker mit seinen Patienten umgegangen war oder ob er sich den flapsigen Ton erst angeeignet hatte, nachdem er in Rente gegangen war und den Posten im New Life angenommen hatte. In jedem Fall empfand Dusty ihn als ausgesprochen erfrischend.
Die Urinprobe war auch auf Harnsediment, Eiweiß und Zukker hin untersucht worden. Das Ergebnis bestätigte weder die Vermutung eines diabetischen Komas noch eines Nierenversagens.
»Wenn der letzte Bluttest nichts ergibt«, sagte Dr. Donklin, »werden wir ihn an ein Krankenhaus überweisen müssen.«
*
Das gläserne Klirren im Kühlschrank, an dem Martie mit dem Rücken lehnte, wurde allmählich leiser.
Ihre verkrampften Hände taten so weh, dass ihr nach wie vor die Tränen in die Augen schossen. Sie wischte sich mit dem Blusenärmel über das Gesicht, aber ihr Blick blieb verschleiert.
Sie hatte die Hände gekrümmt, als würde sie sich damit verzweifelt an einem bröckelnden Fels festklammern oder als hätte sie sich in der Brust eines Feindes verkrallt.
Das Bild der scharfkantigen Scherben einer zerbrochenen Weinflasche immer noch deutlich vor Augen, spürte sie eine solche Angst vor der ungeahnten Gewalttätigkeit, diesem Potenzial, das im Geheimen in ihr schlummerte, dass sie wie gelähmt war.
Tu etwas! Der Rat ihres Vaters. Im Tun liegt Zuversicht. Aber sie war zu benommen im Kopf, um einen klaren Gedanken zu fassen, um die Lage zu analysieren und dann zu entscheiden, was das Richtige und Wirkungsvollste war.
Sie handelte auch so, denn sie wusste, dass sie sich wie eine Assel auf dem Boden zusammenrollen und sich tot stellen würde, bis Dusty nach Hause kam, wenn sie nicht irgendetwas tat. Und wenn er endlich nach Hause kam, hatte sie sich vielleicht längst so vollständig in sich selbst verkrochen, dass sie nicht mehr imstande war aufzustehen.
Also stieß sie sich jetzt, bleich vor angespannter Entschlossenheit, vom Kühlschrank ab. Durchquerte die Küche. Näherte sich dem Schrank, vor dem sie kurz zuvor zurückgewichen war.
Umklammerte den Griff. Klick-klick. Zog die Schublade auf. Die blitzende Schere.
Martie wurden die Knie weich. Um ein Haar hätte sie der mühsam zusammengeraffte Mut beim Anblick der funkelnden Klingen wieder verlassen.
Beschäftigt bleiben, handeln. Heraus mit der verfluchten Schublade aus dem Schrank. Weiter heraus. Das Ding war schwerer, als sie erwartet hatte.
Aber vielleicht war die Schublade gar nicht so schwer, wie es ihr schien, vielleicht war sie nur so schwer, weil die Schere für Martie ein Gewicht hatte, das weit über deren physikalisches Gewicht hinaus ging. Ein psychologisches, ein moralisches Gewicht, das Gewicht des furchtbaren Potenzials, das in dem Stahl lauerte.
Jetzt zur offen stehenden Verandatür damit! Zur Mülltonne.
Sie hielt die Schublade mit ausgestreckten Armen von sich und kippte sie, um den Inhalt in die Mülltonne zu leeren. Die Schere stieß im Rutschen klirrend mit anderen Utensilien zusammen, und dieses Geräusch versetzte Martie so sehr in Panik, dass sie die Schublade mitsamt ihrem Inhalt in die Tonne fallen ließ.
*
Dr. Donklins Vorhersage bestätigte sich, als Tom Wong mit den Resultaten der letzten Blutuntersuchung in Skeets
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