Stimmen der Angst
Zimmer zurückkehrte. Der Grund für Skeets Zustand blieb rätselhaft.
Der Junge hatte seit etlichen Stunden keine wie auch immer gearteten Drogen mehr zu sich genommen. Sein Organismus wies lediglich kaum noch nachweisbare Spuren seiner morgendlichen Exzesse auf.
Sowohl die Werte seiner weißen Blutkörperchen, die völlig normal waren, als auch die Tatsache, dass er kein Fieber hatte, sprach gegen die Annahme einer akuten Meningitis. Oder einer anderen Ansteckungskrankheit.
Hätte es sich um eine Lebensmittelvergiftung gehandelt, so wären – zumal dann, wenn die Vergiftung durch Botulismustoxine ausgelöst worden wäre – dem Koma Symptome wie Erbrechen, Magenschmerzen und höchstwahrscheinlich auch Durchfall vorausgegangen. Keine dieser Beschwerden hatte sich bei Skeet bemerkbar gemacht.
Obwohl keine eindeutigen Symptome eines Schlaganfalls erkennbar waren, durfte die Möglichkeit einer Hirnblutung, einer Embolie oder Thrombose nicht außer Acht gelassen werden.
»Das ist kein Fall mehr für eine Entzugsklinik«, sagte Dr.
Donklin zu Dusty. »Wohin sollen wir ihn überweisen?«
»Ins Hoag-Krankenhaus bitte, wenn dort ein Bett frei ist«, entgegnete Dusty.
»Hier tut sich etwas«, sagte Tom Wong auf einmal und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den EKG-Monitor.
Da der störende Ton des Geräts zuvor ausgeschaltet worden war, hatten sowohl Dusty als auch Donklin nicht mitbekommen, dass sich Skeets Herzfrequenz beschleunigt hatte. Die grüne Lichtlinie und die digitale Anzeige verrieten, dass sie von sechsundvierzig auf vierundfünfzig Schläge in der Minute angestiegen war.
Plötzlich bewegte sich Skeet in seinem Bett, gähnte und schlug die Augen auf.
Die Herzfrequenz, die jetzt bei sechzig Schlägen pro Minute lag, war immer noch im Steigen begriffen.
Skeets ließ den Blick blinzelnd von Tom Wong zu Dr.
Donklin und dann zu Dusty wandern. »He, feiern wir hier eine Party oder was?«
*
Die offene Flasche Chardonnay, zwei Flaschen Chablis, die noch verkorkt waren: Weg damit in die Mülltonne.
In der Waschküche lauter gefährliche Dinge. Eine Flasche Salmiakgeist, mit dem man einen Menschen blind machen, ihm die Atemwege verätzen konnte. Bleichmittel. Ein laugenhaltiger Abflussreiniger. Alles landete in der Mülltonne.
Die Streichhölzer fielen ihr ein. In einem der Küchenschränke. In einer großen Blechdose, die ursprünglich einmal biscotti enthalten hatte. Etliche Briefchen mit Pappstreichhölzern. Schachteln mit kurzen Holzstreichhölzern. Eine Packung Zündhölzer mit zwanzig Zentimeter langem Schaft, die man benutzte, um die schwimmenden Dochte in den hohen gläsernen Öllampen anzuzünden.
Ein Mensch, der fähig war, einem unschuldigen Opfer das Gesicht mit den Scherben einer zerbrochenen Weinflasche zu zerfetzen, der bösartig genug war, einem geliebten Wesen ohne die mindesten Schuldgefühle einen Autoschlüssel ins Auge zu bohren, ein solcher Mensch würde wohl keine nennenswerten Skrupel haben, dieses geliebte Wesen – oder auch das ganze Haus – in Brand zu setzen.
Martie warf die Dose mit den Streichhölzern weg, ohne den Deckel zu öffnen. Die Dose gab im Fallen ein Geräusch von sich, das wie das drohende Rasseln einer Klapperschlange vor dem tödlichen Biss klang.
Ein rascher Abstecher ins Wohnzimmer. So viel war zu tun, so viel! Im Gaskamin prangten Keramikimitate, die wie echte Holzscheite aussahen. Auf dem Kaminsims lag ein batteriebetriebener Butangasanzünder.
Martie lief zur Verandatür zurück, und während sie den Anzünder in die Mülltonne fallen ließ, schoss ihr die beunruhigende Frage durch den Kopf, ob sie nicht möglicherweise den Gashahn im Kamin aufgedreht hatte. Sie hatte zwar keine Veranlassung dazu gehabt und konnte sich auch nicht erinnern, ihn aufgedreht zu haben, aber sie traute sich nicht über den Weg.
Sie wagte es nicht, sich selbst über den Weg zu trauen. Wenn das Ventil bis zum Anschlag geöffnet war, würde innerhalb weniger Minuten eine tödliche Menge Erdgas ausströmen. Der kleinste Funke genügte, um eine Explosion auszulösen, die das ganze Haus in die Luft jagen würde.
Zurück ins Wohnzimmer. Kopflos wie eine Figur in einem Videospiel, die von einer Gefahrensituation in die nächste stolpert.
Kein Geruch nach faulen Eiern.
Kein zischend ausströmendes Gas.
Der Ventilschaft ragte seitlich aus der Kaminwand. Man benötigte einen Inbusschlüssel, um das Ventil zu öffnen, und ebendieser Messingschlüssel lag auf dem
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