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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Kaminsims.
    Erleichtert machte Martie kehrt. Kaum hatte sie jedoch den Fuß wieder in die Küche gesetzt, war sie plötzlich nicht mehr sicher, ob sie nicht in einem Anfall geistiger Umnachtung den Gashahn geöffnet hatte, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass er geschlossen war.
    Aber das war ja lächerlich. Sie konnte doch nicht den Rest ihres Lebens damit zubringen, ständig ins Wohnzimmer zu rennen und nach dem Kamin zu sehen. Sie litt nicht unter Bewusstseinsstörungen und Gedächtnisschwund, hatte nicht die Gewohnheit, im Zustand geistiger Umnachtung herumzulaufen und Unglück zu stiften.
    Aus unerfindlichen Gründen fiel Martie in diesem Augenblick das zweite Wartezimmer in Dr. Ahrimans Praxis ein, wo sie während Susans Therapiesitzung gewartet und in einem mitgebrachten Roman gelesen hatte. Ein angenehmer Ort zum Lesen. Keine Fenster. Keine lästige Hintergrundmusik. Keine Ablenkung.
    Ein fensterloser Raum. Aber hatte sie nicht an einem großen Panoramafenster gestanden und die grauen Regenschwaden beobachtet, die über die Küste fegten?
    Nein, das war eine Szene aus dem Roman gewesen.
    »Ein echter Thriller«, hörte sie sich laut sagen, obwohl außer ihr keine Menschenseele im Haus war. »Gut geschrieben. Die Handlung ist spannend. Die Figuren sind lebendig geschildert. Ich genieße die Lektüre.«
    Plötzlich überfiel sie hier, in ihrer aus den Fugen geratenen Küche, wieder das irritierende Gefühl, dass in ihrer Erinnerung eine rätselhafte Lücke klaffte, dass ihr eine kurze Zeitspanne des Tages fehlte, in der etwas Schreckliches geschehen war.
    Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und wunderte sich, wie spät es bereits geworden war – schon zwölf Minuten nach fünf. Der Tag hatte sich mit dem Regen verflüchtigt.
    Wann war sie ins Wohnzimmer geeilt, um nach dem Kamin zu sehen? Vor einer Minute? Vor zwei, vier oder zehn Minuten? Sie wusste es nicht mehr.
    Die frühwinterliche Abendluft wehte zur offen stehenden Verandatür herein. Sie konnte sich nicht erinnern, ob sich bei ihrem Abstecher ins Wohnzimmer die Dunkelheit schon derart drückend über die Fenster gelegt hatte. Wenn irgendwo an diesem Tag eine Lücke klaffte, dann musste es dort gewesen sein, im Wohnzimmer, am Kamin.
    Martie rannte zur Vorderseite des Hauses, durchquerte ein Terrain, das sie genau kannte, das aber doch anders war als noch an diesem Morgen. Keine Fläche schien mehr wirklich rechteckig oder quadratisch zu sein; alle Formen schienen im Fließen begriffen – mal dreieckig, mal fünfeckig, dann beinahe rund oder auf andere Weise aus den gewohnten Proportionen geraten. Decken, die vormals gerade und flach gewesen waren, wirkten plötzlich wie schräge Fluchten. Sie hätte schwören können, dass der Boden unter ihren Füßen schwankte, als liefe sie über das Deck eines schaukelnden Schiffs. Die gewaltige Angst, die von ihrem Denken Besitz ergriffen hatte, schien nun auch die materielle Welt auf bizarre Weise zu verzerren, obwohl sie wusste, dass diese surreal verfremdeten Gebilde nur in ihrer Fantasie existierten.
    Im Wohnzimmer: kein zischend ausströmendes Gas. Kein unangenehmer Geruch.
    Der Schlüssel lag auf dem Kaminsims. Sie rührte ihn nicht an. Den Blick starr auf das kleine Messinginstrument gerichtet, tastete Martie sich, den Sesseln und dem Sofa ausweichend, rückwärts zur Tür zurück.
    Im Flur angelangt, warf sie wieder einen Blick auf ihre Armbanduhr. Fünf Uhr dreizehn. Eine Minute war vergangen. Keine Erinnerungslücke. Keine Bewusstseinstrübung.
    In der Küche sah sie, am ganzen Leib zitternd, abermals auf die Uhr. Immer noch dreizehn Minuten nach fünf. Es war alles in Ordnung. Sie hatte keinen Aussetzer gehabt. Sie konnte unmöglich, ohne es zu wissen, ins Wohnzimmer zurückgekehrt sein und den Gashahn aufgedreht haben. Die Anzeige sprang vor ihren Augen eine Zahl weiter – fünf Uhr vierzehn.
    Auf dem Notizzettel hatte Dusty versprochen, um fünf Uhr zu Hause zu sein. Er war spät dran. Normalerweise war Dusty zuverlässig. Er hielt seine Versprechen.
    »Lieber Gott«, sagte sie und war selbst erschrocken, wie jämmerlich ihre Stimme klang, wie zittrig und gepresst ihr die Worte über die Lippen kamen. »Lieber Gott, mach, dass er nach Hause kommt! Bitte, lieber Gott, hilf mir, mach, dass er jetzt gleich nach Hause kommt!«
    Wenn Dusty nach Hause kam, würde er den Lieferwagen in die Garage fahren und neben ihrem Saturn abstellen.
    Lieber nicht dorthin. Die Garage war ein gefährlicher

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