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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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erreicht hatte, zitterte die Frau. Die Blonde hatte einen Arm um sie gelegt und half ihr den Gehweg entlang, während der Mann mit zwei Schritten Abstand folgte und gelegentlich einen zerstreuten Blick auf die Bäume um sich herum warf. Emma trat zur Seite, um dem Trio Platz zu machen, und als die dunkelhaarige Frau an ihr vorbeiging, verweilten ihre Augen, die rot und verquollen waren, kurz auf Emma.
    Emma überlief es kalt. Das war Jacobs Mutter. Sie hatten sich an dem Eltern-Wochenende im Oktober kennengelernt, als Mrs Stewart sich einen Vortrag Emmas angehört hatte. Die Frau hatte ihr danach die Hand geschüttelt, und Emma erinnerte sich noch an die Augenbrauen der Mutter, die in einem viel zu hohen Bogen nachgezogen waren, sodass ihr ständig ein fragender Ausdruck im Gesicht stand.
    Die Frage, die diese Augen in diesem Moment zu stellen schienen, lautete: »Warum?« Emma erstarrte, unsicher, ob sie, wenn auch peinlich berührt, ihr Mitgefühl ausdrücken sollte. Im Gesicht der Mutter spiegelte sich zunächst Überraschung, dann verhärtete sich der Zug um ihren Mund. Emma wandte sich wortlos ab und lief auf Sarahs Auto zu, als hinter ihr ein langgezogenes, fauchendes »Siiiie« erklang,das plötzlich umkippte in den kurzen Ausruf »Das ist sie!«, gefolgt von schnellen Schritten.
    Emma blieb kaum Zeit genug, sich umzudrehen, da packte Mrs Stewart sie auch schon am Haar, zerrte ihren Kopf hin und her und grub die spitzen Fingernägel ihrer rechten Hand in Emmas Oberarm, bis diese schließlich rückwärts taumelnd auf den Rasen fiel. Emma hielt sich schützend die Arme vors Gesicht, als Mrs Stewart sich auf sie stürzte und ihr mit ihren roten Fingernägeln die Unterarme zerkratzte. Die blonde Frau stand vor Entsetzen erstarrt da, doch ihr Mann reagierte sofort, griff beherzt zu und zog die rasende Hyäne weg von Emma. »Nein, nein! Kommen Sie mit«, rief er und hielt Mrs Stewarts Arme fest, sodass sie Emma zu guter Letzt nur noch einmal anspucken konnte.
Eine Löwenmutter,
dachte Emma und erkannte, als sie dem grauhaarigen Mann jetzt direkt ins Gesicht sah, dass er Mason Caldwell sein musste, Kyles superreicher Vater.
    In diesem Moment kam Jodie aus dem Haus gelaufen. Emma dachte, dass ihre Kollegin ihr zu Hilfe eilen wollte; doch als Jodie die kleine Ansammlung erreicht hatte, kniete sie sich nicht ins Gras, um ihr aufzuhelfen. Stattdessen blieb sie bei den Caldwells stehen, während Emma sich mit dem letzten Rest an Würde, den sie aufbringen konnte, allein vom Rasen aufrappelte, sich das Haar aus dem Gesicht strich und sich dann so hoch aufrichtete, wie ihre zierliche Statur es im Beisein all dieser großgewachsenen Eltern zuließ. Und ihr entging auch das kurze Aufblitzen in Mason Caldwells Augen nicht, der sie ansah, als wäre er erstaunt, wie klein und unbedrohlich die Mörderin war.
    Emma drehte sich um und ging davon. Ihre Beine zitterten noch, als sie schließlich die Autotür öffnete. Hinter sich hörte sie einen Laut, der binnen kürzester Zeit anschwoll, als Mrs Stewart mit einem langen, klagenden Aufschrei der Verzweiflung in Mr Caldwells Arme sank und vor Trauer und Wut weinte.
    Erschüttert und voller Scham zog Emma die Autotür zu und verließ die Auffahrt mit einem letzten Blick in den Rückspiegel auf das Tableau des Schmerzes auf Jodies Rasen. Sie fuhr eine Meile, ehe sie am Bordstein einer ruhigen Wohnstraße anhielt, die Stirn auf das Lenkrad legte und zu schluchzen begann. Warum war sie die Schuldige? Sie, die bestohlen, bedroht und beinahe angegriffen worden war, war jetzt als Ausgestoßene gebrandmarkt und keines Mitgefühls mehr würdig.
    Emma gestand sich fünf Minuten des Selbstmitleids zu, und als sie wieder ruhiger atmen konnte, fuhr sie zu Sarahs kleinem Haus am Rande der Stadt, wo Emmas weißer Toyota in der Auffahrt wartete.
    »Herrje, was ist passiert?« Sarah schnappte nach Luft, als sie Emma die Tür aufmachte.
    Emma sah auf die Grasflecken auf Sarahs Bluse und die blutigen Kratzer an ihren Armen. »Ich bin vor Jodies Haus Jacobs Mutter begegnet.«
    »Komm herein.« Sarah hielt die Tür auf, und Emma trat zögernd ein, so als erwartete sie noch einen Hinterhalt.
    »Ist Maggie nicht hier?« Emma sah sich nach den Kindern um.
    »Noch nicht.« Sarah führte sie ins Wohnzimmer. »Der Sheriff hat immer noch mit ihr gesprochen, als ich ging, obwohl sie nicht ein Wort gesagt hat, soweit ich es beurteilen kann. Rob bringt sie her, wenn sie fertig sind, und meine Freundin Margaret

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