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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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verdammtes Glück, in meinem Seminar noch ein B bekommen zu haben, er hätte eigentlich ein C verdient gehabt. Ich dürfte, was die Noten betrifft, an unserem Institut eine der Großzügigsten sein.«
    »Und sie sagen auch, dass Jacob mit seiner Note nicht zufrieden war«, fuhr Jodie fort. »Sie glauben, dass Sie beide sich darüber gestritten haben, als Sie allein im Haus waren.«
    »Ich war nie allein mit Jacob in meinem Haus!« Emmas Gedanken rasten. »Und ich erinnere mich nicht einmal anseine Note. Ich glaube, er hat ein B+ bekommen. Soll das etwa heißen, dass er ein A haben wollte? Alle glauben, dass sie ein A verdienen.«
    »Und Sie glauben nicht, dass Sie die Frauen bevorzugen?«
    »Herrgott, Jodie. Sie wissen doch, wie die Notenvergabe an unserem College funktioniert. Wenn Sie meine Unterlagen ansehen, schneiden die Frauen im Durchschnitt sicher besser ab, ja, aber das gilt, glaube ich, für alle Seminare in den Geisteswissenschaften in Holford und auch in vielen anderen Colleges. Die Frauen bekommen bessere Noten, weil sie sich sehr viel mehr anstrengen und weil die Männer sich zu stark von anderen Dingen ablenken lassen. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun.«
    »Die Studenten behaupten außerdem, dass die Inhalte Ihrer Seminare feministisch sind.«
    Emma verdrehte die Augen. »Wenn ›Ein eigenes Zimmer‹ von Virginia Woolf feministisch ist und Zora Neal Hurstons Roman ›Und ihre Augen schauten Gott‹ auch, dann können Sie meine Seminare sicher als feministisch bezeichnen. Sie kennen meinen Unterrichtsstoff, Jodie. Daran ist nichts Radikales   – es sind alles Texte des Literaturkanons. Meine Seminare sind geradezu konservativ im Vergleich mit den Angeboten zur Frauenforschung an anderen Colleges.«
    »Und die Studenten beschweren sich auch darüber, wie Sie das Seminar über die Bibel geleitet haben.«
    Emma warf entnervt die Arme in die Luft. »Das war vor vier Jahren! Hört das denn nie auf?« In ihrem zweiten Jahr an der geisteswissenschaftlichen Fakultät hatte ein älterer Kollege in den Weihnachtsferien einen Herzinfarkt erlitten, und in letzter Minute wurde beschlossen, dass einige der jüngeren Professoren seine Seminare im Frühjahr übernehmen sollten. Emma war das Seminar »Die Bibel damals und heute« aufgehalst worden, ein Thema, mit dem sie sich überhaupt nicht auskannte, und sie hatte sich dem Buch der Bücher mit denselben methodischen Fragen zu Geschlechterrollen undMachtverteilung genähert, mit denen sie allen Texten begegnete.
    Sie hatte allerdings nicht geahnt, dass die meisten Studenten, die sich für dieses Seminar einschrieben, direkt aus Bibelgruppen oder von YoungLife-Camps kamen und dass der Professor, den sie vertrat, in seinem Unterricht immer die Wissenschaft mit der Religiosität auszutarieren versucht hatte. Er hatte nichts gegen Studenten, die ihre Essays nutzten, um ihrer Begeisterung für Christus Ausdruck zu verleihen. Aber Emma brachte für so etwas keine Geduld auf. Bei der ersten Rückgabe der Essays hatte sie sich höchst großmütig gefühlt, fast wie eine Heilige, als sie die Hälfte ohne Note zurückgab und die Studenten aufforderte, ihre Essays noch einmal zu schreiben, wenn sie nicht riskieren wollten durchzufallen. Sie hatte Dankbarkeit von ihnen erwartet, doch stattdessen hatte allseitige Empörung sämtliche weiteren Seminardiskussionen des Semesters geprägt. Sie war angeblich das Problem, und nicht diese Studenten. Sie war die Heidin in ihrer Mitte, die einen feministischen Agnostizismus predigte. Eltern hatten E-Mails an die Dekanin der Fakultät gesandt und behauptet, dass Emma Vorurteile gegen christliche Studenten habe und die Bibel mit Respektlosigkeit behandele. Die Noten der Studenten am Ende des Semesters waren vernichtend ausgefallen.
    Emma seufzte, als sie an diese Streitereien zurückdachte. »Ich weiß immer noch nicht, wie man über Adam und Eva reden kann, ohne über die Rolle der Geschlechter zu diskutieren.«
    »Einige Studenten behaupten, dass Sie begeistert waren, weil im Alten Testament eine Frau einen Mann tötet?«
    »Ach ja, die Geschichte der Judith«, sagte Emma. »Aber den Studenten gefiel sie doch auch   … Wenn sie mich mit Judith vergleichen, so nehme ich das als Kompliment.«
    »Und Sie sollen auch andere Bücher besprochen haben, in denen Frauen Männer töten.«
    Das ist doch lächerlich,
dachte Emma und merkte, wie ihre Schultern sich verkrampften. Ihre Wut manifestierte sich immer als eine Art

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