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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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Stunde. Aber das hier war eben Cleveland Park, Wohnort millionenschwerer Anwälte und zukünftiger Senatoren, wo Steuerzahler eine umgehende Beachtung ihrer noch so belanglosen Beschwerden erwarteten.
    »Gibt es ein Problem, Ma’am?« Der Sergeant sah Emmas Gesicht und Arme an, offensichtlich auf der Suche nach Verletzungen, weil er annahm, sie wäre die geschlagene Ehefrau.
    »Gehen Sie ins Badezimmer und sehen Sie sich das Gesicht seiner Ehefrau an«, sagte Emma. »Dann wissen Sie, ob es ein Problem gibt.« Sergeant Rodriguez wies seinen Kollegen, der gerade das Zimmer betrat, an nachzusehen.
    »Und wer sind Sie?« Er konzentrierte sich weiter auf Emma.
    »Emma Greene. Ich war bei einer Freundin nebenan zum Abendessen, als wir den Streit hier drüben hörten und die Polizei riefen.«
    »Officer.« Die Stimme des Mannes war plötzlich ruhig   – ganz der höfliche Ton eines Investmentbankers, der in diesemMoment genauso gut die Gewinnaussichten des Aktienfonds eines kleineren Unternehmens hätte diskutieren können. »Diese Frau und ihre Freundin sind einfach in mein Haus eingedrungen.«
    »Wir gehen schon.« Emma warf dem Mann noch einen letzten verächtlichen Blick zu. Dann wandte sie ihre ganze Aufmerksamkeit Sergeant Rodriguez’ Augen zu und staunte, als sie in diesen dunkelbraunen Tiefen den gleichen sanften Ausdruck sah wie bei dem Deputy in Jackson, fast als wären die beiden Männer Brüder. Obwohl er in der Großstadt arbeitete, sprach dieser Sergeant weder in dem ungeduldigen Ton der Abgestumpftheit mit Emma, noch setzte er dieses leicht amüsierte Lächeln auf, das sie schon zu oft auf den Lippen großer Männer gesehen hatte, wenn sie kleinen, wütenden Frauen gegenübertraten, so als würde die geringe Größe einer Frau ihre Wut erklären und sie sei nichts weiter als ein ausgeflipptes Spielzeug.
    Vermutlich beruhte ihr instinktives Vertrauen zu diesem Sergeant nur auf ihrer Vorliebe für dunkle Männer, dachte sie. Vierundvierzig Jahre als Rothaarige mit Sommersprossen hatten Emmas Neid auf alle Hautfarben der Starbucks-Palette geweckt   – Schattierungen von Cappuccino, Mokka oder heißer Schokolade   –, satte Farben, die sich nicht nach einer Stunde in der Sonne in leuchtendes Rosarot verwandelten. Und was die Augenfarbe anging, da wurde sie misstrauisch bei einem zu hellen Blau; je intensiver die Iris, desto intensiver das Gefühl, meinte sie.
    Welche Nation, fragte sie sich, als sie diesen unbekannten Polizisten ansah, brachte solch schöne braune Augen hervor? Während sie seinen ernsten Blick erwiderte, überlegte Emma, wie sie die Dringlichkeit der Situation vermitteln könnte, ohne dass sie direkt darüber sprach. »Ich lege die Sache in Ihre Hände.«
    Gemeinsam waren Michelle und sie dann wieder nach nebenan gegangen und hatten auf der Veranda gewartet, zusammenmit zwei weiteren Nachbarn, die von dem Krankenwagen angelockt worden waren, der gleich nach der Polizei mit Sirenengeheul eingetroffen war. Als Emma den dunkeläugigen Sergeant und seinen Kollegen wenig später ohne den Ehemann aus dem Haus kommen sah, lief sie zu ihm.
    »Sie gehen?«
    »Die Frau behauptet, sie sei gegen eine Tür gerannt.«
    »Das ist doch Schwachsinn, und das wissen Sie auch. Wir alle haben den Streit gehört.«
    »Aber haben Sie etwas gesehen? Hat irgendwer irgendetwas gesehen?«
    »Sie haben ihr Gesicht gesehen. Reicht das nicht?«
    »Wenn niemand sehen konnte, wie er sie geschlagen hat, und sie darauf beharrt, dass sie gegen eine Tür gerannt ist, dann können wir nichts machen.«
    »Sie müssen sie überreden.« Emma wusste, dass ihr »müssen« zu fordernd und professoral klang, und sie versuchte, sich zurückzunehmen. »Vielleicht können Sie ihr gut zureden, ihr die Ängste nehmen. Sagen Sie ihr, sie soll an ihr Kind denken.«
    Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Diese Frau weigert sich sogar, ins Krankenhaus zu gehen. Die Sanitäter haben ihre Nase notdürftig versorgt und ihr Schmerzmittel gegeben. Sie sagt, dass sie morgen ihren Hausarzt aufsucht. Aber heute Abend will sie nirgends mehr hin.«
    »Hören Sie.« Emma setzte auf eine letzte Strategie. »Ich leite ein Heim für misshandelte Frauen. Ich sehe so etwas jeden Tag, und es ist überdeutlich, dass diese Frau in ernster Gefahr schwebt. Normalerweise schlägt ein Ehemann aus einem so gehobenen Wohnviertel seine Frau nicht ins Gesicht; er will nicht, dass man die Verletzungen sehen kann. Aber das kümmert diesen Kerl nicht mehr   – er hat

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