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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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dachte, du hättest eine einstweilige Verfügung auf Kontaktverbot erwirkt.«
    »Das wird ihn nicht aufhalten. Er war noch nie im Gefängnis, und das eine Mal, als er verhaftet wurde, hat Maria nicht mit dem Staatsanwalt kooperiert und Carlos war nach einem halben Tag wieder draußen. Er hält das Rechtssystem für einen Witz.«
    »Ich bin nicht unvorbereitet gekommen.« Junot hielt seine Jacke auf, und Emma dachte, er wolle ihr die Waffe zeigen, die er den ganzen Tag über trug. Doch stattdessen griff erin seine Innentasche und zog ein Paar Handschellen hervor. »Das ist meine Vorstellung von einer einstweiligen Verfügung.«
    Emmas Blick wanderte zu der Pistole an Junots Hüfte. Als sie vor einem Kino zum ersten Mal die Arme um ihn gelegt hatte, war sie überrascht gewesen, das harte Metall zu spüren.
    »Trägst du die immer?«
    »Die Macht der Gewohnheit.« Er nickte. »Ohne fühle ich mich zu leicht. Ich brauche das Gewicht.«
    Er nannte die Pistole seinen
camerado
, und Emma war es peinlich gewesen, wie aufregend sie den Anblick fand, da sie sich doch über solch niedrige Gefühle erhaben glaubte. Pistolen waren üble, primitive Utensilien von Verbrechern, reaktionären Provinzlern und Männern, die sich ohne eine Waffe nicht als Mann fühlten. War sie jetzt etwa mit einem solchen Mann zusammen? Erlag sie dem Machismo, den sie stets so verachtete hatte?
    »Hast du schon mal auf jemanden geschossen?«, hatte sie Junot bei einer ihrer ersten Verabredungen gefragt.
    »Einmal, in den Arm.«
    »Dann bin also ich der einzige Mörder in dieser Beziehung?«
    Junot hatte nicht gelächelt. »Ich sehe hier keine Mörder.«
    Das war über ein Jahr her. Jetzt waren die Pistole, die Handschellen und das Polizeiabzeichen so normal für sie wie BlackBerrys, iPhones und Notebooks, mit denen Emmas frühere Liebhaber hantiert hatten. Jeder Mann trug die Werkzeuge seines Berufs mit sich herum, und Emma fürchtete schon, dass sie dabei war, ihre liberalen Neigungen aufzugeben, weil sie die Nähe einer Waffe so beruhigend fand.
    Junot und sie aßen schweigend, während über den alten Backsteingebäuden draußen vor ihrem Fenster der Mond aufging.
    »Ich muss unsere Verabredung dieses Wochenende absagen«,erklärte Emma schließlich, ehe sie herzhaft in eine Frühlingsrolle hineinbiss.
    Junot ließ einen Moment von seinen Satay-Spießchen ab. »Aber wir haben die Tickets schon seit Wochen, du wolltest doch unbedingt hin.«
    »Ich weiß   – du solltest trotzdem hingehen und einen Freund mitnehmen.«
    »Meine Freunde gehen nicht in Musicals.«
    »Tut mir leid, aber ich habe heute Nachmittag eine E-Mail von Maggie bekommen. Sie hat so eine Art Krise.«
    »Teenager-Probleme?«
    Emma schüttelte den Kopf. »Mommy-Probleme   … Erinnerst du dich noch an den Namen Sandra McCluskey?«
    »Klar. Das ist die Studentin, die damals in deinem Haus war.«
    Emma bewunderte, dass Junot nie einen Namen vergaß, vor allem die nicht, die mit einem Verbrechen zusammenhingen.
    »Offenbar ist Sandy nach Jackson zurückgekehrt und jetzt Maggies Mathelehrerin.«
    Junot hob die Augenbrauen. »Sieht die Schule darin kein Problem?«
    »Ich glaube, die wissen gar nichts davon. Ihr Ehename ist Murdock, und Rob hat sie auf dem Einführungsabend nicht mal erkannt. Maggie sitzt seit Wochen in einem Klassenzimmer mit dieser Frau und hat erst jetzt herausgefunden, wer sie ist. Offenbar hat sie kürzlich ein Gespräch mit Maggie geführt und ihr ein paar neue Informationen über Jacob Stewart erzählt. Maggie will, dass ich an diesem Wochenende nach Jackson komme und mir Sandys Geschichte anhöre. Ich glaube, die Frau will sich entschuldigen.«
    Junot sah Emma in die Augen. »Glaubst du, dass eine Entschuldigung noch irgendeinen Wert für dich hat?«
    »Nein, inzwischen nicht mehr. Aber es scheint Maggie wichtig zu sein, deshalb muss ich hinfahren.«
    »Soll ich dich begleiten?«
    Emma schüttelte den Kopf. Sie hatte schon seit Monaten versprochen, Junot einmal nach Jackson mitzunehmen, damit er Sarah und Kate kennenlernte und zum Wandern in die Berge gehen konnte. Aber nicht an diesem Wochenende, nicht unter diesen Umständen.
    »Habe ich dir eigentlich schon mal von der Modenschau des Heims erzählt?« Lächelnd wechselte Emma das Thema. »Du weißt doch, dass wir all diese Kleider-, Spielzeug- und Bücherspenden kriegen, und ich habe dir auch erzählt, dass manche Leute uns ganz schreckliches, wertloses Zeug geben   – getragene Unterwäsche und kaputte

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