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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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Stock hinauf: »Maria! Esta alli?«
    »Das ist meine letzte Warnung, Mr Cortez«, sagte Emma routiniert, so als spräche sie den Satz hundertmal jeden Tag aus.
    Carlos, der etwa drei Meter vor einem Fenster stand, drehte sich zu Emma um und sah sie mit verächtlichem Blick an. »Halt’s Maul, du Schlampe.«
    Junot trat einen Schritt vor, doch Emma hielt ihn mit ausgestrecktemArm auf. »Das ist mein Job«, sagte sie. »Gib mir nur Rückendeckung.«
    Sie neigte den Kopf und starrte Carlos direkt in die Augen, ohne auch nur zu blinzeln. Dann näherte sie sich ihm mit einem irgendwo zwischen Verführung und Wahnsinn angesiedelten Lächeln. Als sie ihm nahe genug war, um zu riechen, wie sehr seine Haare und seine Kleidung nach Zigaretten stanken, hob Emma zu einem fauchenden Flüstern an, das nur Carlos hören konnte.
    »Ihnen gefällt es, uns Frauen zu beleidigen, nicht wahr, Carlos? Ihnen gefällt es, Frauen zu schlagen, zu verbrennen und in die Schranken zu weisen? Diese blöden, neunmalklugen Schlampen, die verdienen es doch, fertiggemacht zu werden. Ich wette, Sie wollen jetzt auch mich schlagen, was? Das gibt Ihnen das Gefühl, ein starker Mann zu sein, stimmt’s? Aber ich weiß, was Sie in Wirklichkeit sind, Carlos. Sie sind nichts als ein kleiner Scheißkerl mit noch kleinerem Schwanz.« Bei diesen Worten senkte sie den Blick zu seinem Schritt und lachte laut auf. Emma duckte sich nicht, als Carlos die Hand hob. Sie schloss weder die Augen noch zuckte sie zurück oder drehte das Gesicht weg, als er zuschlug. Beide Beine fest auf den Boden gepflanzt ließ sie seine Faust direkt auf ihre linke Wange prallen und war nur überrascht von der Wucht, die sie zu Boden warf.
    Verdammt!,
dachte sie, als sie dort lag.
So ein Arschloch.
Emma hasste es, niedergeschlagen zu werden. Es gab nichts Demütigenderes. Sie erinnerte sich nur allzu gut an Mrs Stewarts Hände, die sie zu Boden stießen, und den plötzlichen Stoß des fremden Mannes auf der Straße, der nicht einmal stehen geblieben war, um sich nach ihr umzudrehen.
    Junot hatte sich in dem Augenblick in Bewegung gesetzt, als Carlos den Arm hob, konnte den Schlag aber nicht mehr verhindern. Jetzt sprang er über sie hinweg, packte den Mann an den Haaren und warf ihn mit dem Gesicht voran zu Boden, drückte ihm dann ein Knie zwischen die Schulterblätterund presste sein linkes Ohr auf den Beton. »Sie sind verhaftet«, sagte er. »Sie haben das Recht zu schweigen   …«
    »Lassen Sie mich los!«, stieß Carlos hervor, als Junot ihn über seine Rechte belehrte, dann wieder auf die Beine zerrte und mit Handschellen an den Flaggenmast kettete. Per Handy rief Junot einen Streifenwagen herbei und lief schließlich zu Emma hinüber, die sich aufgesetzt hatte und den Kopf hin und her wiegte, um den Schmerz zu lindern.
    »Herrje, Emma«, sagte er, als er sich hinkniete und ihr mit verwirrter Miene zärtlich übers Gesicht strich. »Was hast du zu ihm gesagt?«
    Sie antwortete nur mit einem Lächeln und ließ eine blutige Lücke sehen, dort, wo ihr linker Schneidezahn hätte sein sollen.
    »Du siehst aus wie eine Hockeyspielerin«, sagte Junot. »Komm, wir gehen rein und legen einen Eisbeutel auf deine Wange.«
    »Nein.« Sie weigerte sich. »Ich will, dass sie so stark wie möglich angeschwollen ist, wenn Carlos dem Haftrichter vorgeführt wird.«
    Junot musterte vorsichtig die linke Seite ihres Gesichts. »Das hast du absichtlich gemacht.«
    Emma zuckte die Achseln. »Maria wird Carlos vielleicht nie anzeigen, aber ich werde es ganz bestimmt tun. Sein Angriff auf sie, der Verstoß gegen die einstweilige Verfügung und jetzt diese Körperverletzung, das zusammen sollte ihn für mindestens ein halbes Jahr hinter Gitter bringen. Zeit genug für Maria, vielleicht endlich auf die Füße zu kommen.«
    Junot seufzte. »Du bist wirklich eine wild entschlossene kleine Frau.« Er hielt sie am Arm fest, als sie aufstand. »Aber es gibt bessere Methoden, das zu erreichen, weißt du.«
    »Nein«, erwiderte Emma und schluckte etwas Blut hinunter. »Gibt es nicht.«

17
    Früh am nächsten Morgen wachte Emma mit einer pochenden Wange auf. Sie tastete auf ihrem Nachttisch nach dem Aspirin und der Wasserflasche, mit deren Hilfe sie die Nacht überstanden hatte. Neben ihr lag Junot in tiefem Schlaf, und als sie die Schmerztabletten schluckte, empfand Emma eine fast betäubende Dankbarkeit für diesen Mann in ihrem Bett. Sie hatte die Entwicklung ihrer Beziehung genossen, vom Kaffeetrinken

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