Stimmt's?
einander ins Gesicht schauen können, durchzusetzen. Auch wenn sie heute in vielen Nachschlagewerken zitiert wird – es handelt sich um eine Legende, und ihr Urheber ist kein Geringerer als Alfred Kinsey, der 1948 mit seinem Werk «Das sexuelle Verhalten des Mannes» . (dem «Kinsey-Report») die amerikanische Gesellschaft schockierte.
Die Ehre der Missionare gerettet hat Robert J. Priest (er heißt tatsächlich so) von der Divinity School an der amerikanischen Trinity University. Der Gottesmann fand zunächst einmal die verlorengegangene Quelle der Geschichte bei Kinsey. Der wiederum beruft sich in seinem Buch auf Bronislaw Malinowski, einen Anthropologen, der sich eingehend mit der Sexualität der Südseebewohner beschäftigt hat. Malinowski habe notiert, so Kinsey, dass beim Volk der Trobriander «beim gemeinschaftlichen Lagerfeuer Karikaturen der angloamerikanischenStellung zur großen Belustigung der Eingeborenen vorgeführt wurden, die sie als die ‹Position der Missionare› bezeichneten».
Aber in Malinowskis Werk «The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia» ist diese Lagerfeuergeschichte nicht zu finden. Offenbar hat Kinsey sie sich in seiner Erinnerung aus mehreren Elementen falsch zusammengereimt. Malinowski berichtet zwar tatsächlich, dass sich die Trobriander über die Eintönigkeit der Sexualstellung der Weißen lustig machten – allerdings ist da nicht die Rede von Missionaren, geschweige denn von moralischen Vorschriften. Der Ausdruck der Insulaner für die westliche Stellung war laut Malinowski
ibilimapu
, was so viel bedeutet wie «sie kann nicht mitmachen».
Und dann berichtet der Forscher von einer neuen «Mode» bei den Südseebewohnern, nämlich dass sich verliebte Paare händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigten, was den alten Sitten widerspräche. Diese Unmoral werde als
misinari si bubunela
bezeichnet, als «Missionarsmode». Die Gottesmänner haben das romantische Repertoire der Südseebewohner also nicht prüde eingeschränkt, wie die Legende behauptet, sondern eher erweitert. Von kirchlichen Vorschriften, wie man sexuell zu verkehren habe, keine Spur.
«Kinsey hat anscheinend eine Legende erfunden in dem Glauben, eine historische Tatsache zu berichten», schreibt Priest. So entstand der Ausdruck, der heute in vielen Sprachen zum Allgemeingut gehört.
Mohn macht dumm
Stimmt nicht. Aber anders als beim Senf (siehe Seite 287) könnte in diesem Spruch sogar ein Körnchen Wahrheit stecken, wenn wir den Begriff «dumm» großzügig auslegen. Manchmal heißt es ja auch «Mohn macht doof», und «doof» kommt von «taub». Und tatsächlich ist ja ein Betäubungsmittel im Mohn enthalten: Aus ihm wird Morphium gewonnen. Auch wenn der Speisemohn eine andere Pflanzeist als der Schlafmohn, so enthalten die schwarzen Samen, die wir im Kuchen oder auf Brötchen schätzen, Spuren von Opiaten. Immerhin so viel, dass man das im Urin nachweisen kann – eine Tatsache, die dem Mohngenießer in Ländern mit strengen Rauschgiftgesetzen durchaus Probleme bereiten kann.
Interessanterweise wird der Opiatgehalt von Mohn bei uns nicht kontrolliert, es gibt auch keine Grenzwerte. Bei Untersuchungen wurden stark schwankende Zahlen ermittelt: zwischen 2 und 251 Mikrogramm Morphium in einem Gramm Mohn. Geht man von einem mittleren Gehalt von 60 Mikrogramm Morphium pro Gramm aus, so müsste ein fünfjähriges Kind (und an Kinder ist die Warnung ja gerichtet) 30 Gramm Mohn essen, um eine «therapeutische Dosis» zu sich zu nehmen. Das entspricht vier bis acht Mohnbrötchen oder 200 Gramm Mohnkuchen. Das ist eine ganze Menge. Deshalb halten Ernährungswissenschaftler den Verzehr der schwarzen Körnchen für unbedenklich. Aber vielleicht war in der Vergangenheit, als der Spruch entstand, der Mohn gehaltvoller als heute und führte wirklich manchmal zu einem «doofen» Gefühl im Kopf. Jedenfalls war es früher in manchen Gegenden Deutschlands üblich, kleinen Kindern zwecks Beruhigung ein Leinenbeutelchen zum Nuckeln zu geben, das eine Zucker-Mohn-Mischung enthielt.
Der zunehmende Mond auf der Südhalbkugel sieht aus wie der abnehmende Mond auf der Nordhalbkugel und umgekehrt
Stimmt. Stellen Sie sich Folgendes vor (es ist ein bisschen schwierig ohne eine begleitende Graphik, aber nur Mut): Sie schauen von oben auf den Nordpol der Erde und auf die Kreisbahn des Mondes. Der Mond läuft einmal pro Monat gegen den Uhrzeigersinn um die Erdeherum (dabei vernachlässigen wir einmal,
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