Stirb ewig
Ausrüstung kann ich alle Gespräche abhören – auch Mobiltelefone. Hab doch erzählt, ich war in Australien bei der Fernmeldetruppe.«
Michael nickte.
»Also, am Mittwoch sitze ich abends nach der Arbeit so rum und stolpere über Davey und dich. Netter Plausch. Ich bleibe auf dem Kanal und höre die folgenden Gespräche ebenfalls mit. Hab auch die Nachrichten gesehen, die Geschichte mit dem Sarg. Also strenge ich meine grauen Zellen an und überlege mir, warum ich mit einem Sarg auf Sauftour gehen sollte. Vielleicht, um meinen Kumpel drin zu verstecken? Makabrer Streich oder so? Also fahre ich zum Bauamt nach Brighton und entdecke, dass deine Firma eine Baugenehmigung für ein Waldstück beantragt hat, das ihr letztes Jahr gekauft habt. Und zwar genau in der Gegend, wo eure Sauftour stattfindet. Konnte das wirklich Zufall sein? Dann habe ich mir weiter überlegt, dass deine Kumpels beim Saufen sicher faul sein würden. Die hätten keine Lust, dich allzu weit zu schleppen. Du musstest daher in der Nähe eines befahrbaren Weges sein.«
»Und dort bin ich auch gewesen?«
»Da wärst du ohne mich immer noch, Kumpel. Jetzt schieß mal los – wie ist das mit dem Geld, das du auf den Caymans gehortet hast?«
»Was soll das heißen?«
»Wie gesagt, ich hab den Polizeifunk abgehört. Du hast doch Geld auf den Cayman Islands, oder? Über eine Million. Wäre das nicht Grund genug, dein Leben zu retten? Du bist ein echtes Sonderangebot, Mike.«
67
AM NÄCHSTEN MORGEN traf Grace um zwanzig nach sieben in Sussex House ein. Der dunkelblaue Himmel war von weißen Wolkenfetzen überzogen. Ein Polizist, mit dem er vor Jahren Streife gegangen war, wusste alles über Wolkenformationen und konnte mit ihrer Hilfe das Wetter vorhersagen. Grace hatte einiges behalten und erkannte, dass es an diesem Tag Kumulus- und Nimbus-Wolken waren, die trockenes Wetter verhießen. Gut für die bevorstehende Suche.
Alle Mitarbeiter ärgerten sich, dass das aufwändig renovierte Gebäude keine Kantine besaß. Er ging zum Automaten und zog sich einen Milchkaffee. Auf dem Weg zu seinem Büro merkte er, wie müde er war. Er hatte sich die ganze Nacht im Bett gewälzt, das Licht eingeschaltet, sich Notizen gemacht, es ausgeschaltet, wieder angemacht. Seine Erkenntnisse zum Fall Harrison kamen tropfenweise wie bei einer Infusion, bis endlich das graue Licht durch die Vorhänge sickerte und die ersten Vögel vorsichtig loszwitscherten.
Das Armband. Der BMW, der schlammbedeckt auf seinem Parkplatz stand. Mark Warren, der noch spät am Sonntagabend im Büro arbeitete. Ashley Harpers kanadischer Onkel Bradley Cunningham. Ashley Harpers Gesichtsausdruck und ihr Verhalten im Leichenschauhaus. Die forensischen Ergebnisse zu den Erdproben, die heute eintreffen würden. Womöglich auch Resultate von den Überwachungskameras.
Er schaute ins Eingangsfach, in dem sich die unerledigte Post der vergangenen Woche stapelte, schaltete den PC ein und sah sich einem noch größeren Berg von E-Mails gegenüber. Die Tür öffnete sich. »Guten Morgen, Roy.«
Eleanor Hodgson, seine steife, effiziente Managementassistentin. Er hatte sie gebeten, früh zu kommen. Sie hielt ein Blatt Papier in der Hand.
»Wie war das Wochenende?«, erkundigte er sich.
»Sehr schön, ich war auf der Hochzeit meiner Nichte, und gestern hatte ich das Haus voller Verwandter. Und Sie?«
»Habs geschafft, mal aufs Land zu fahren.«
»Ein bisschen Entspannung und frische Luft tun Ihnen sicher gut.« Sie schaute ihn genauer an. »Aber Sie sehen trotzdem blass aus.«
»Das können Sie laut sagen.« Er nahm das Blatt entgegen, seinen Terminplan für die kommende Woche, den sie seit ewigen Zeiten jeden Montagmorgen für ihn bereithielt.
Grace setzte sich. Der Kaffee duftete verlockend, war aber noch zu heiß. Er überflog den Plan, da er alles streichen würde, was er nicht unbedingt persönlich zu erledigen hatte. Der Fall Harrison hatte absolute Priorität.
Um zehn musste er wieder ins Gericht, das ließ sich nicht vermeiden. Um eins hatte er einen Zahnarzttermin in Lewes – verschieben. Morgen um drei war ein Treffen mit der Kripo Südwales geplant, um Informationen über einen bekannten Kriminellen aus Swansea auszutauschen, den man mit einem Billardqueue im Auge tot auf einer Müllkippe bei Newhaven aufgefunden hatte. Dafür musste ein neuer Termin angesetzt werden. Am Mittwoch stand in der Polizeiakademie Bramshill ein Aufbaukurs zum Thema genetischer Fingerabdruck
Weitere Kostenlose Bücher