Stirb ewig
Glas Wasser«, sagte Grace.
»Für mich nichts, danke«, erklärte Buckley. »Soll ich Ihnen helfen?«
»Danke, nicht nötig.«
Der Hund sah zu Grace empor und jaulte flehentlich.
»Still, Bobo!«, befahl Mrs Harrison. Der Hund folgte ihr unterwürfig aus dem Zimmer.
Grace sah sich um. Ein gerahmter Druck zeigte Constables »Heuwagen«, ein anderer die Jack-und-Jill-Windmühlen in Clayton. Daneben ein großes gerahmtes Foto von Michael Harrison im Smoking, den Arm um Ashley Harper gelegt, die ein langes Abendkleid trug. Michael als Junge in kurzer Hose auf dem Fahrrad. Ein Hochzeitsfoto in Schwarz-Weiß, vermutlich von Gill Harrison und ihrem verstorbenen Mann. Die breiten Revers und die Schlaghose verrieten ihm, dass es Mitte der Siebziger aufgenommen worden war. Michael Harrisons Vater war groß, gut aussehend, mit langem braunem Haar, das ihm bis zum Hemdkragen reichte. Sein Sohn sah ihm sehr ähnlich.
Gill Harrison kam, ihr Hündchen im Schlepp, mit einem Wasserglas und einem Weinglas zurück und setzte sich Grace gegenüber.
»Was heute passiert ist, bedauere ich sehr, Mrs Harrison. Sie haben Schlimmes durchgemacht«, sagte er und trank dankbar von dem kalten Wasser.
Eine junge Frau betrat das Zimmer. Ihr sonnengebräuntes Gesicht hatte etwas von einem Raubvogel, das blonde Haar war zottelig, Lippen, Ohren und Zunge waren gepierct. Sie trug Jeans und ein ärmelloses Top.
»Meine Tochter Carly. Carly – das ist Chief Inspector Grace von der Kriminalpolizei und Constable Buckley. Carly ist extra für die Hochzeit aus Australien gekommen.«
»Ich habe Sie beim Empfang gesehen, hatte aber keine Gelegenheit, mit Ihnen zu sprechen«, sagte Grace und schüttelte ihr die Hand. Sie schien etwas unwillig.
»Nett, Sie kennen zu lernen, Carly«, sagte Buckley.
Die junge Frau setzte sich neben ihre Mutter aufs Sofa und legte ihr schützend den Arm um die Schultern.
»Wo sind Sie in Australien gewesen?«, fragte Grace höflich.
»Darwin.«
»Ich selbst war nur einmal in Sydney.«
»Meine Tochter lebt dort«, sagte Linda Buckley munter, um das Eis zu brechen.
Carly zuckte lustlos die Schultern.
»Eigentlich wollte ich ja die Hochzeit und den Empfang ganz absagen«, erklärte Gill Harrison. »Aber Ashley hat darauf bestanden. Sie meinte – «
»Alte Schlampe«, stieß Carly hervor.
»Carly!«
»Tut mir Leid. Alle finden sie so süß – « Sie flatterte übertrieben püppchenhaft mit den Händen. »Aber ich halte sie für eine berechnende Schlampe.«
»Carly!«
Sie küsste ihre Mutter auf die Wange. »Tut mir Leid, Mum, aber es stimmt. Hätten Sie etwa darauf bestanden, den Empfang abzuhalten?«, fragte sie Grace.
Er beobachtete die Frauen wachsam, bevor er antwortete. »Keine Ahnung, Carly. Vermutlich hatte sie nur die Wahl zwischen zwei Übeln.«
»Mein Bruder ist der tollste Typ der Welt, ehrlich.«
»Sie scheinen Ashley nicht zu mögen«, sagte er schnell.
»Nein, tu ich auch nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich finde sie reizend«, warf ihre Mutter ein.
»Das ist doch Scheiße, Mum! Du willst nur um jeden Preis Enkelkinder. Und bist froh, dass Michael nicht schwul ist.«
»Carly, das ist wirklich nicht nett.«
»Aber wahr. Ashley ist eine berechnende Eisprinzessin.«
Grace war bemüht, seine Erregung zu verbergen. »Wie sind Sie zu dieser Ansicht gelangt, Carly?«
»Hören Sie nicht hin«, sagte Gill Harrison. »Sie ist erschöpft und leidet unter dem Jetlag.«
»Quatsch, Ashley ist eine Goldgräberin.«
»Wie gut kennen Sie sie?«
»Bin ihr einmal begegnet – das hat mir gereicht«, sagte Carly.
»Ich finde, sie ist ein reizendes Mädchen«, erklärte ihre Mutter. »Intelligent, kultiviert, man kann sich richtig gut mit ihr unterhalten. Sie war sehr gut zu mir.«
»Kennen Sie ihre Familie?«
»Die Arme hat nur noch ihren netten Onkel aus Kanada. Die Eltern starben bei einem Autounfall in Schottland, als sie drei Jahre alt war. Sie wuchs bei abscheulichen Pflegeeltern auf, zuerst in London, dann in Australien. Ihr Pflegevater wollte sie als Teenager vergewaltigen. Sie ist dort weggegangen, als sie sechzehn war, und nach Toronto gezogen. Dort lebte sie bei ihrem Onkel und ihrer Tante, die kürzlich verstorben ist. Das hat sie sehr mitgenommen. Ich glaube, Bradley und seine Frau sind als Einzige jemals nett zu ihr gewesen. Sie musste allein zurechtkommen, und dafür bewundere ich sie.«
»Ha, ha, ha«, warf Carly ein.
»Wie meinen Sie das?«, wollte Grace wissen.
»Sie kam mir schon
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