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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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sich Sascha auf dem Weg nach unten.
    Auf der Straße erwartete ihn die nächste Überraschung: Sein Fahrrad war weg.

8
    SASCHA STIEG VOM Rad und schob es zu den Fahrradständern. »So ein Idiot«, schimpfte er halblaut, weil er wieder an den bescheuerten Rentner aus Natalies Haus denken musste. Sascha hatte sein Rad schon verloren gegeben, als der Typ damit aus der Einfahrt zum Hinterhof kam und mit einem selbstgefälligen Grinsen auf dem Gesicht fragte: »Suchst du vielleicht das hier?« Sascha wusste anfangs nicht, was das überhaupt sollte. Erst als der Rentner auf das Schild an der Wand zeigte, kapierte er, was los war. »Man sollte meinen«, sagte er, »dass Jungs in deinem Alter lesen können. ›Fahrräder anlehnen verboten‹, steht hier.« Was glaubte der Typ eigentlich, wer er war? Der liebe Gott? Außerdem hatte Sascha sein Fahrrad gar nicht an die Wand gelehnt, sondern auf den Ständer gestellt. Aber weil er keine Lust hatte, sich mit diesem Arsch rumzustreiten, nahm er es wortlos, stieg auf und fuhr davon.
    Er wollte noch bis zur Pause warten, bevor er reinging. Wegen seines unerlaubten Verschwindens von der Schule machte er sich keine Sorgen. Er würde Feldkamp einfach die Wahrheit erzählen: dass er bei Natalie gewesen war, um sie wegen Alina zu trösten. Feldkamp war okay, er würde verständnisvoll nicken und besorgt fragen, wie es ihr ging. Sascha musste wieder an die Begegnung mit Androsch denken. Ob Natalie sich ernsthaft was hatte antun wollen? Oder nur Aufmerksamkeit brauchte? Wieso hatte sie nicht ihn angerufen? Er wäre sofort zu ihr gefahren. Zu jeder Tages-und Nachtzeit. Aber wahrscheinlich waren sie dafür noch nicht vertraut genug. Und das würde auch nicht so schnell gehen, so viel hatte er bereits kapiert. Natalie war verdammt schwer zu knacken.
    Es läutete zur Pause. Die ersten Schüler waren auf dem Hof zu hören, ein paar verdrückten sich in die inoffizielle Raucherecke.
    Mit Feldkamp lief alles wie erwartet. In der Türschwelle zum Lehrerzimmer hörte er sich Saschas Entschuldigung an, nickte dabei alle paar Sekunden. »Ist gut«, meinte er schließlich. »Aber wenn wieder so was ist, läufst du nicht einfach weg, sondern meldest dich ab, ja?«
    Sascha stiefelte auf den Pausenhof. Nächste Stunde war Mathe. Sein Heft war inzwischen bestimmt in der halben Klasse rumgegangen. Er musste zusehen, dass er es zurückkriegte, damit am Ende nicht er als Einziger ohne Hausaufgaben dastand. Ein kurzer Wortwechsel, den er zufällig aufschnappte, ließ ihn abrupt stehen bleiben.
    »War ja klar, dass Alina sich irgendwann so verabschiedet; und dass Natalie es nicht durchzieht, auch. Wundert mich nicht bei der.«
    »Was durchzieht?«
    Sascha wandte sich zu der Seite, von der die gehässigen Worte gekommen waren. Dort standen drei Mädchen um ein viertes rothaariges herum und warteten gespannt auf eine Erklärung. Genau wie Sascha.
    »Ich hab das von Lena, die war ja mal ganz eng mit den beiden«, fuhr das rothaarige Mädchen fort. »Ist aber total geheim, klar? Alina und Natalie haben sich –« Sie hatte Sascha bemerkt und brach ihren Satz ab. »He, du«, blaffte sie ihn an, »was wir reden, geht dich nichts an.«
    Die vier traten enger zusammen, die Rothaarige dämpfte ihre Stimme, sodass Sascha nichts mehr verstehen konnte, und behielt ihn im Augenwinkel, bis er weiterging. Auf Schulhoftratsch sollte man eh nichts geben, dachte er. Und doch war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, dass diese Mädchen vielleicht etwas über Natalie wussten, von dem er keine Ahnung hatte.
     
    LANGSAM WIE FLÜSSIGES Blei tropften die Minuten dahin. Die Hausaufgaben waren längst erledigt. Alle Versuche, die Zeit mit Zeichnen, Gitarrespielen oder an der Playstation totzuschlagen, liefen ins Leere. Warum rief Natalie nicht an? Sie hatte es doch versprochen. Versetzte sie ihn etwa schon wieder? Er nahm das Handy, wählte im Adressbuch ihre Nummer aus. Sein Finger schwebte über der Anruftaste. »Nein«, sagte er dann zu sich selbst und legte das Telefon wieder weg. Jetzt war definitiv sie am Zug.
    Was die Rothaarige auf dem Schulhof mit ihren Andeutungen wohl gemeint hatte? Wusste sie wirklich was, oder hatte sie sich nur wichtigmachen wollen?
    Dann endlich: das erlösende Klingeln.
    Doch im Display stand nicht
Natalie
, sondern
Mama
.
    Er überlegte, ob er rangehen sollte. Eigentlich hatte er keine große Lust, mit seiner Mutter zu reden. Aber einfach klingeln lassen, das ging auch nicht.
    »Was ist?«
    »Hallo,

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