Stirb leise, mein Engel
vorladen, zum Stimmenvergleich. Willst du das?«
Er grinste. Schwacher Bluff. Die Frage war wohl eher, ob
sie
das wollte. »Kein Problem. Wann soll ich antreten?«
Ihre Hand schnellte vor und packte ihn am Unterarm, der Ellbogen stieß dabei ihr Glas um, klirrend zerbrach es. Sascha erschrak, über ihre schnelle Bewegung und das umstürzende Glas, aber auch über den Ausdruck in ihrem Gesicht.
»Willst du mich verscheißern? Glaubst du, wir spielen hier nur ein Spiel? Du hast mich in eine Scheißsituation gebracht! Wenn rauskommt, dass du der anonyme Anrufer warst und ich hab’s nicht gemeldet, bin ich dran.«
Er betrachtete die rote Pfütze auf dem Tisch, in der Scherben glitzerten. Darum ging es also wieder mal: sie und ihr Job. Das war so was von das Letzte.
»Du hast dein Glas umgeschmissen.«
Sie ließ ihn los, stand auf und holte eine Küchenrolle von der Anrichte, während er begann, die Scherben aus dem Wein zu picken.
»Lass das, du schneidest dich noch.«
Er warf die Scherben zurück in die rote Pfütze, ließ sich nach hinten gegen die Lehne fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sorry, dass ich helfen wollte.«
Sie rollte eine lange Bahn Papier ab, knüllte es ein wenig zusammen und legte es auf den Fleck. Im Nu sog es sich voll. So ließ sie es liegen, stellte sich hinter den Stuhl.
War ja klar, dass noch was kam.
»Ich versteh das nicht, Sascha. Wie lange ist unser letztes Gespräch her? Ich dachte, ich hätte dir klargemacht, dass du nachts nicht einfach kommen und gehen kannst, wie du willst. Und jetzt machst du so ein Ding, das alles noch mal toppt! Welchen Sinn hat es, mit dir zu reden?«
»Dann lass es doch. Außerdem …« Er sah kurz zu ihr hoch. Sie hatte recht. Diese Gespräche waren sinnlos, jedes weitere Wort verschwendet. Sie hatte ihre Meinung, die richtige natürlich, und alles andere war Quatsch. Er konnte sagen, was er wollte, sie versuchte nicht einmal, ihn zu verstehen. Klar, so war es ja auch viel bequemer für sie.
»Außerdem was?«
»Vergiss es.«
Er zog die Arme um seine Brust noch fester, wie dicke Taue, mit denen er sich einschnürte.
»Sag nicht
vergiss es
zu mir! So kannst du mit deinen Kumpels reden oder mit Joy, aber nicht mit mir. Ich will eine Antwort!«
»Wieso redest du nicht mal über das, was ich letzte Nacht für euch getan hab. Ohne den Tipp wärt ihr doch nie …«
Sie schüttelte den Kopf über ihn, mit diesem hilflosen Lächeln auf den Lippen, wie über einen dummen Jungen, der einfach nicht kapierte, was los war.
»Niemand hat was dagegen, dass du eine Beobachtung oder was du irgendwo aufschnappst der Polizei mitteilst; mir oder jemand anders, wenn dir das lieber ist. Aber du kannst doch nicht nachts in eine fremde Wohnung einsteigen. Da kann alles Mögliche passieren. Einer der Bewohner hätte euch zum Beispiel hören und die Polizei rufen können, und plötzlich seid ihr Straftäter, ihr habt ein Verfahren am Hals und am Ende vielleicht eine Vorstrafe. So was kann sich auf dein ganzes Leben auswirken. Oder noch schlimmer, beim Hochklettern fällt einer von euch vom Gerüst runter, verletzt sich schwer oder ist sogar tot.«
»Wenn ich so denke, dann darf ich überhaupt nicht mehr aus dem Haus gehen. Es kann jederzeit was passieren.«
»Das ist doch Blödsinn!« Sie ging auf die andere Seite des Tisches, zog den Stuhl heraus und setzte sich. »Mit Joy werde ich auch noch reden. So geht es nicht.«
»Ich sag doch: Joy war nicht dabei! Hörst du mir eigentlich zu?«
»Aber allein warst du nicht. Das glaub ich nie und nimmer.«
»Klar. Für so was bin ich viel zu blöd.«
»Ach, hör doch auf!« Sie sah ihn an, schnaufte schwer und sagte dann, mit einem Anflug von Enttäuschung in der Stimme: »Allmählich weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich dir zutrauen kann und was nicht. Ich dachte, du wirst langsam erwachsen, aber anscheinend wirst du immer kindischer.«
Diese Worte trafen ihn wie Nadelstiche. Er sprang auf, stieß dabei den Stuhl um. »Du kapierst echt gar nichts! Wenn wir nicht gewesen wären, dann hättet ihr den Typen nie gefunden. Ihr habt null gecheckt, was eigentlich los ist! Das könntest du ruhig auch mal zugeben!«
»Woher willst du wissen, wie unser Ermittlungsstand war? Wenn ich dir jetzt sage, dass wir schon auf halbem Weg bei diesem Typen waren? Ihr seid da rein zufällig auf was gestoßen, okay, aber deshalb seid ihr nicht schlauer als die Polizei. Was bildest du dir denn ein?«
»Wieso kannst du nicht
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