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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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einfach mal sagen: ›Das hast du gut gemacht!‹? Was ist so schwer daran?«
    »Gar nichts. Ich sag es dir gerne, immer wenn es zutrifft. Aber in diesem Fall trifft es nicht zu.«
    Wie konnte sie so was nur sagen! Angesichts dieser Tatsachen!
    »Weißt du was«, schrie er sie an. »Du kannst mich mal!«
    Damit rannte er in sein Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel um.
     
    DER SCHUSS WAR ja voll nach hinten losgegangen. Wie hatte er glauben können, dass seine Mutter irgendwas, das er machte, toll fand? Nicht an ihm rumzukritisieren war die einzige Form von Anerkennung und Lob, die es von ihr gab. Also, danke für gar nichts! Mit voller Wucht kickte er den Papierkorb gegen das Regal, Papierkugeln und Fetzen verteilten sich auf dem Boden. Gleichzeitig ein Schlag. Etwas war vom Regal gefallen. Das Familienbild an der Schießbude!
    Er hob es auf und betrachtete es: Sein Vater mit dem Gewehr im Anschlag, ein Auge zugekniffen – alles an ihm war Konzentration, aber auch Gewissheit, dass der Schuss gar nicht danebengehen konnte. Was er wohl zu alldem gesagt hätte? Wahrscheinlich hätte er ihn mit der Faust gegen das Kinn gestupst, so wie er es oft gemacht hatte, und grinsend gesagt: In dir steckt ein Kriminaler, Sohn. Respekt. Aber nicht mehr losziehen, bevor du keine Dienstmarke hast, klar? Kann allerhand passieren bei so einer Aktion.
    Er stellte das Bild zurück ins Regal und ließ sich aufs Bett fallen. Väter und Söhne verstanden einander einfach besser. Sie tickten ähnlich. Mütter dagegen … Welcher Junge, der nicht schwul war, kam schon mit seiner Mutter klar?
    Obwohl, zwischen Vätern und Söhnen lief es auch nicht immer gut. Das sah man ja an Androsch und Mirko.
    Androsch …
    Er setzte sich auf.
    An den hatte er bei der Sache noch viel zu wenig gedacht. Wie würde er es aufnehmen, dass sein Sohn ein Mörder war? Wie kam man mit so was klar? Ging das überhaupt? Ob er mich hasst, wenn er erfährt, dass ich Mirko überführt habe? Verständlich wäre es gewesen. Wahrscheinlich würde niemand mehr sein Kind zu ihm schicken. Wer wollte schon einen Therapeuten, dessen eigener Sohn so was Schreckliches getan hatte? Ich ruf ihn morgen an, dachte er, und sag ihm, dass ich ihm trotzdem vertraue.
    Sein Blick fiel auf den Wecker. Schon halb eins. Er sollte längst schlafen. Aber wie denn, nach allem, was passiert war! Also schon die zweite schlaflose Nacht in Folge. Und morgen die Chemieklausur. Egal, vermasselte er sie eben. Es gab Wichtigeres im Leben als Chemieklausuren. Oder überhaupt Schule. Er hatte Lust, alles hinzuschmeißen. So, wie Mareike es getan hatte.
    Mareike. Sie hatte recht gehabt. Er hatte zwar auch nicht erwartet, dass seine Mutter ihn für die Aktion groß feiern würde; aber dass sie so gar nichts Tolles darin sehen wollte, hatte er nicht gedacht. Mareike hatte es ihm knallhart vorhergesagt und auch gleich eine Erklärung parat gehabt.
    »Eltern wollen nicht stolz auf
dich
sein, Sascha, sondern auf sich selbst. Darauf, was sie Tolles aus dir gemacht haben.« Das waren ihre Worte gewesen, und Zigarettenrauch hatte ihr Gesicht eingehüllt, als sie sie mit größter Selbstverständlichkeit aussprach.
    »Ich dachte, zwischen dir und deinen Eltern läuft alles super«, hatte er darauf gesagt, aber sie hatte nur erwidert: »Egal, wie’s läuft, Eltern sind immer Eltern.«

30
    ALS SASCHA SICH der Kreuzung näherte, sah er Joy schon von Weitem dort stehen. Hatte sie montags nicht bis fünf Schule? Sie hatte ihn ebenfalls bemerkt und winkte ihm zu, mit etwas wie einem Stab in der Hand. Bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass es eine zusammengerollte Zeitung war. Seine Ampel sprang auf Rot, aber er raste trotzdem noch rüber und legte vor ihr eine sportliche Bremsung hin. Hinter ihm fuhr hupend ein Lieferwagen an. Er wusste, dass das Hupen ihm galt, aber er reagierte nicht darauf.
    »Na, wie ist die Klausur gelaufen?«, fragte Joy.
    »Ging so. Bin fast eingeschlafen.«
    »Also ausnahmsweise mal nur eine Zwei.«
    »Schön wär’s. Und du, machst du heute blau? Sonst hast du um die Zeit doch immer noch Schule, oder?«
    »Nee, heute ist Sport. Schwimmen. Aber ohne mich.«
    »Wieso? Bist du erkältet?«
    »Nee. Ich hab meine Tage.«
    »Ach so.« Er deutete auf die Papierrolle in ihrer Hand. »Seit wann liest du Zeitung?«
    »Bloß deshalb.« Sie entrollte das Blatt und hielt ihm die Titelseite hin. »Bist du der Einzige, der die Schlagzeile noch nicht gesehen hat?«
    IST DER

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