Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
Vom Netzwerk:
liegt plötzlich vor mir auf dem Boden. Und dann ist es schon in meiner Hand, ich weiß nicht, wie. Es übernimmt die Kontrolle über mich, ich kann nichts tun. Lässt meinen Arm ausholen, fährt nieder, trifft krachend eine Schulter. Ein Schrei. Er zuckt weg und prallt gegen die Wand.
    Das Holz schlägt noch einmal zu. Auf den gekrümmten Rücken.
    Noch mal. Auf den Kopf.
    Er schreit. Er fällt.
    Noch mal.
    Er schreit.
    Noch mal.
    Noch mal.
    Noch mal.
    Er schreit nicht mehr.
    Das Holz hört auf. Es ist müde.
    Alles ist still um das Atmen herum. Das Keuchen. Und in der Mitte: ich. Ich bin das Atmen. Ich bin das Keuchen.
    Mein Herz – gleich zerplatzt es.
    Klatschnass bin ich auch. Und ich dampfe.
    Ist er tot?
    So wollte ich es nicht. So sollte es nicht sein. Er sollte sterben wie die anderen.
    Nicht rumstehen. Etwas tun.
    Was?
    Das Holz liegt immer noch in meiner Hand. Seine stumme Selbstzufriedenheit ärgert mich. Ich werfe es weg, polternd schlägt es auf den Estrich.
    So kann er nicht liegen bleiben. So nicht.
    Ich packe ihn, ziehe ihn in die Mitte des Raumes.
    Etwas sickert dunkel durch seinen Pullover. Blut. Plötzlich ist es überall. Das Blut und die Dunkelheit – sie vermischen sich. Werden eins. Alles ist Blut. Ich schwimme darin. Ertrinke.
    Ich schnappe nach Luft. Kriege keine.
    Ich will hier raus. Aber ich kann nicht. Noch nicht. Erst muss er weg. Ganz weg. Bloß wie?
    In der Ecke liegt eine Plane. Hoffentlich ist sie groß genug. Ich hole sie und werfe sie über ihn.
    Weg. Jetzt ist er weg.
    Der Druck weicht. Langsam.
    Ich kann wieder atmen.
    Mein Elektroschocker. Ich hebe ihn auf.
    Ich wende mich um und gehe. Vergessen, das alles. Die Gewalt. Das Blut.
    Sterben sollte er. Aber so wie die anderen. Wie seine Schlampen.
    Egal. Es ist vorbei.

29
    »ICH DENKE, WIR haben einiges zu besprechen, mein Lieber.«
    Er drehte sich nicht zu seiner Mutter um. Er sagte auch nichts, sondern las noch ein wenig in seinem Comic weiter. Oder tat zumindest so. Es war spät, nach elf schon, und sie war eben erst aus dem Präsidium nach Hause gekommen.
    »Was war denn los?«, fragte er mit Unschuldsmiene und schaute auf. »Ich dachte, du wolltest anrufen.«
    »Ging nicht. War zu viel zu tun. Komm in die Küche, wir reden dort.«
    Sie verließ das Zimmer.
    Sascha stand auf. Kein Zweifel, sie wusste Bescheid, wer der anonyme Anrufer war, dem sie es verdankte, dass sie ihren eigentlich dienstfreien Sonntag im Büro verbracht hatte. Er verdrängte das mulmige Gefühl, das aufkommen wollte. Betont lässig, die Hände in den Hosentaschen, schlurfte er in die Küche, wo seine Mutter sich gerade ein Glas Wein einschenkte.
    »Krieg ich auch eins?«
    Sie sah ihn aus großen Augen an. »Klar. Warum nicht?«
    Sie holte ein zweites Glas, stellte es auf den Tisch und schenkte ihm ein. »Setz dich schon.«
    Die Stuhlbeine scharrten über die Fliesen, als er den Stuhl herauszog und sich niederließ. Nichts, was sie sagen konnte, würde das gute Gefühl in ihm verderben, dass er etwas Wichtiges geleistet hatte. Etwas, das selbst sie anerkennen musste.
    »Wir haben letzte Nacht einen anonymen Anruf bekommen, der uns zu einer Wohnung führte. Weißt du etwas darüber?«
    »Ich? Wieso?«
    »Sag mal, für wie blöd hältst du mich eigentlich!«, brauste sie auf. »Hast du geglaubt, ich erkenne deine Stimme nicht? Dafür hast du mich in den letzten Monaten ein paarmal zu oft angerufen.«
    Sein Blick glitt an ihr ab, ins leere Weiß der Wand hinter ihr. Die Bemerkung hätte sie sich verkneifen können, fand er. Und wenn sie glaubte, sie müsse unbedingt laut werden – sollte sie ruhig. Das machte ihm nämlich gar nichts aus. Er zuckte nur mit den Schultern, nahm dann das Glas und nippte am Wein. Der herbe Geschmack ließ ihn den Mund zusammenziehen.
    Sie sah ihn die ganze Zeit an, als wäre er einer ihrer Verbrecher, klopfte dabei mit den Fingern auf die Tischplatte.
    »Seid ihr da eingestiegen? Ein Fenster war nur zugezogen.« Eine halbe Sekunde später: »Natürlich seid ihr eingestiegen. Wenn’s einfach nur ein Tipp gewesen wäre, hätte es ja den anonymen Anruf nicht gebraucht. Aber ihr musstet ja selbst Ermittler spielen.«
    »Keine Ahnung, was du meinst.«
    »Ich kann auch Joy fragen. Die erzählt es mir bestimmt, wenn ich sie lange genug bearbeite.«
    »Fragen kannst du sie ja. Aber erzählen wird sie dir nichts. Weil sie nämlich nichts weiß.«
    »Aha. Im Gegensatz zu dir.«
    »Nee. Ich weiß auch nichts.«
    »Ich kann dich auch

Weitere Kostenlose Bücher