Stirb, mein Prinz
zögerte. Dachte an die SMS von Stuart. Irgendwas daran kam ihm komisch vor. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass er etwas anderes erwartet hatte, oder dass ihm der Inhalt einfach nicht ins Konzept passte. Aber Neuigkeiten waren Neuigkeiten, also musste er den Rest des Teams darüber informieren.
»Ich habe mich ein bisschen umgehört«, sagte er in die Runde. »Mal die Fühler ausgestreckt. Einer meiner Informanten hat sich zurückgemeldet.«
Glass lehnte sich erwartungsvoll nach vorn.
»Nichts Weltbewegendes, er meinte nur, dass er hier im Umkreis nichts über die Sache gehört hat. Angeblich munkelt man, dass es ein Auftragsmord war. Ein bezahlter Profikiller.«
»Von hier?«, fragte Glass.
»Aus Litauen«, erwiderte Mickey und versuchte, sich seine Skepsis nicht anmerken zu lassen. »Mehr war nicht rauszufinden.«
Glass nickte. »Das passt zu meiner Einschätzung des Falls«, sagte er. »Wenn es stimmt – und alles deutet darauf hin –, dann können wir, denke ich, mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass der Killer mittlerweile wieder in Litauen ist.«
»Ja«, sagte Mickey zustimmend, »aber trotzdem passt es nicht zusammen. Die Tötungsart, die Tatwaffe, nichts davon deutet auf einen Auftragsmord hin.«
»Und wieso nicht?«, fragte Glass.
»Zunächst mal hat er ein Messer benutzt«, sagte Mickey. »Dafür muss man seinem Opfer sehr nahe kommen. Und wenn jemand seinem Opfer sehr nahe kommen will, dann steckt meistens etwas Persönliches dahinter. Ein Auftragskiller hätte eine Schusswaffe benutzt, die Sache aus der Distanz erledigt. Schnell und sauber.«
»Vielleicht handhabt man solche Dinge im Osten anders«, meinte Glass unter Andeutung eines Lächelns.
»Und dann ist da noch die Anzahl der Stichverletzungen. Nick Lines hat noch kein endgültiges Ergebnis, aber bei der letzten Zählung kam er auf ungefähr zwanzig. Das heißt doch ganz eindeutig, dass Weaver seinen Mörder kannte. Dass es was Persönliches war.«
»Und doch deutet alles, was Sie von Ihrem Informanten gehört haben, auf das genaue Gegenteil hin«, sagte Glass. Er schien eine Weile scharf nachzudenken und dann einen Entschluss zu fassen. »Nun gut, DS Philips. Wenn man eine Intuition hat, dann bin ich der Letzte, der sagt, dass man sie ignorieren soll. Also gehen Sie ihr nach.«
»Danke, Sir.«
»Aber versprechen Sie sich nicht zu viel davon. Und vernachlässigen Sie darüber nicht die anderen Hinweise.«
»Nein, Sir.«
»Ich danke Ihnen, DS Philips.«
Sichtlich verstimmt nahm Mickey wieder Platz. Jane Gosling lehnte sich zu ihm herüber. »Sieht so aus, als würde jemand demnächst umsonst Urlaub in Vilnius machen«, sagte sie. »Wollen wir eine Münze werfen?«
Mickey grinste und machte es sich auf seinem Stuhl bequem.
Glass sah erneut in die Runde. »Marina?«
Marina schob ihre Unterlagen zusammen und stand auf. Mickey musterte sie. Sie war wie immer schick angezogen und sorgfältig geschminkt. Trotzdem wirkte sie abgespannt und müde. Als hätte sie die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Mickey fiel wieder ein, wie sie und Phil gewirkt hatten, als sie am Vortag ins Büro gekommen waren. Zusammen und gleichzeitig meilenweit voneinander entfernt. Er wollte lieber nicht spekulieren, was zwischen den beiden los war, aber schön konnte es nicht sein.
»Also«, sagte sie. »Meine Analyse der Zeichnungen von den Kellerwänden und aus dem anderen Haus ist jetzt abgeschlossen. Ich habe die Symbole mit jedem nur erdenklichen Material abgeglichen, das ich finden konnte, und ich denke, es steht jetzt zweifelsfrei fest, dass es sich um einen Kalender handelt.«
Sie reichte Fotos von den Wandzeichnungen herum.
»Zuerst dachte ich, dass er vielleicht etwas mit dem Tierkreis zu tun haben könnte, aber das hat sich als Irrtum herausgestellt. Er basiert auf dem Jahreszeitenzyklus.« Sie hielt eins der Fotos in die Höhe und deutete auf die relevante Stelle. »Sehen Sie hier? Das ist die Sommersonnenwende. Und hier? Die herbstliche Tagundnachtgleiche. Und so weiter. Bei der Version des Kalenders, mit der wir es zu tun haben, befindet sich die herbstliche Tagundnachtgleiche oben. Wenn Sie genau hinsehen, können Sie aber erkennen, dass der Kalender mehrfach übermalt wurde. Er dreht sich. Das Ereignis, das als Nächstes stattfindet, ist immer oben.«
»Wann ist denn die herbstliche Tagundnachtgleiche?«, wollte Mickey wissen.
»Eine sehr gute Frage«, sagte Marina. »Jetzt. Heute. Und auf der Grundlage dessen, was wir über
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