Stirb, mein Prinz
den Jungen wissen und was er uns über sein Leben erzählt hat – viel war das leider nicht –, kann ich eins mit absoluter Gewissheit sagen: Wir haben es hier mit einem Serienmörder zu tun.«
88 Glass schien skeptisch. »Ohne eine Ihrer Berechnungen und Schlussfolgerungen in Zweifel ziehen zu wollen, Ms Esposito – denn ich bin mir sicher, sie sind über jeden Zweifel erhaben –, muss ich Sie dennoch fragen, ob Sie sich da ganz sicher sind?«
»Ja, das bin ich. So etwas würde ich nicht leichtfertig behaupten.«
»Davon bin ich überzeugt. Aber ein Serienmörder …«
»Ich hatte bereits früher mit Serientätern zu tun …«
Mickey bemerkte ihr Zögern. Sie wollte Glass nicht beim Vornamen nennen – zu vertraut. Noch wollte sie ihn mit seinem Dienstgrad anreden – zu förmlich. Schließlich vermied sie jede direkte Ansprache. »Insofern denke ich schon, dass ich weiß, wovon ich rede.«
»Was für Beweise gibt es denn?«
»Zugegeben, es sind nur Indizien. Aber wir haben den Jungen unmittelbar vor der Tagundnachtgleiche im Käfig aufgefunden. Der Keller war für den Vollzug eines Rituals hergerichtet.«
»Übrigens haben wir jetzt auch die vorläufigen Ergebnisse der DNA -Tests reinbekommen«, warf Adrian dazwischen. »Die Spuren auf der Werkbank und an den Gartengeräten waren definitiv Blut.«
»Danke«, sagte Marina. »Es war alles für einen Ritualmord vorbereitet. Und aus dem Kalender an der Wand wird klar, dass der Täter, wer auch immer er ist, diese Rituale regelmäßig vollzieht. Vier Mal im Jahr. Multiplizieren Sie das mit der Anzahl der Jahre, die er möglicherweise schon am Werk ist …«, sie hob die Schultern, »und heraus kommt ein Serienmörder.«
»Und weshalb tötet er?«, wollte Glass als Nächstes wissen. »Was ist sein Anreiz?«
»Das weiß ich nicht«, musste Marina einräumen. »Die Motivlage ist ein bisschen unklar. Der Hauptgrund liegt auf der Hand: Er hat Freude daran. Egal, welche Rechtfertigung ein Täter vorschiebt, egal, wie er es verbrämt, am Ende läuft es immer auf sexuelle Befriedigung hinaus. Aber es gibt auch noch eine andere Komponente. Der Kalender, die Gartengeräte … Ich denke, er ist der Überzeugung, dass er es aus einem ganz bestimmten Grund tut. Einem wichtigen Grund. Und wenn wir diesen Grund herausfinden, bringt uns das unserem Täter schon ein ganzes Stück näher.«
Glass nickte. »Gut. Ich danke Ihnen.«
»Da wäre noch etwas. Das Zeitfenster. Wie gesagt, heute ist der Tag der herbstlichen Tagundnachtgleiche. Finn, der Junge, wurde gestern Abend aus dem Krankenhaus entführt. Der Täter will das Ritual um jeden Preis vollziehen. Wenn es überhaupt noch eine Hoffnung geben soll, den Jungen lebend wiederzusehen, müssen wir ihn bis heute um Mitternacht gefunden haben.«
Schweigen senkte sich über den Raum.
»Er muss noch ein anderes Versteck haben«, fuhr sie fort. »So ähnlich wie das Haus in East Hill. Wenn wir dieses Versteck finden, haben wir auch den Mörder gefunden. Und hoffentlich den Jungen.«
»Wissen wir denn, wo wir suchen müssen?«, fragte Glass.
»Nein, aber ich bin schon dabei, ein geographisches Profil zu erstellen. Vielleicht hilft uns das weiter.«
»Wenn er schon seit längerem mordet«, meldete sich Jane zu Wort, »wo sind dann die Leichen?«
»Gute Frage«, gab Marina zurück.
»Wir lassen die Brache zwischen den beiden Häusern mit Bodenradar absuchen«, sagte Adrian. »Bis jetzt wurde nichts gefunden, aber sie sind noch nicht fertig. Irgendwo müssen die Leichen ja liegen.«
»Vielen Dank«, sagte Glass.
Marina setzte sich. Mickey beobachtete sie. Sie hatte nicht alles gesagt. Mit irgendetwas hielt sie hinter dem Berg. Er machte ihr deswegen keinen Vorwurf, sondern fragte sich nur, warum. Schließlich tat er ja genau dasselbe.
»Also«, schloss Glass, »so viel zum gegenwärtigen Kenntnisstand. Ich will, dass der Junge oberste Priorität hat. Finden Sie den Wagen. Finden Sie ihn. Was auch immer der Täter vorhat, verhindern Sie es.«
Leicht gesagt , dachte Mickey und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück.
»Ich habe zusätzliches Personal angefragt«, fuhr Glass fort. »Wenn wir Glück haben, wird die Verstärkung heute noch eintreffen.« Erneut warf er einen Blick in die Runde, wobei er gewissenhaft mit jedem Einzelnen Augenkontakt aufnahm. »Wie sich vermutlich bereits unter den meisten von Ihnen herumgesprochen hat, ist Detective Inspector Brennan vom Dienst suspendiert und wird nicht weiter an
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