Stirb, mein Prinz

wurde ebenfalls entfernt.«
    »Auch suspendiert?«
    »Nein«, sagte Gesetzgeber. »Sie wurde dauerhaft aus dem Verkehr gezogen.«
    Am Tisch herrschte Schweigen. Nur das Summen der Klimaanlage war zu hören.
    »Tot?« Wächter spuckte das Wort aus, als hätte er Angst, es könnte seinen Mund infizieren.
    »Dauerhaft aus dem Verkehr gezogen, belassen wir es dabei«, sagte Gesetzgeber so ruhig wie möglich. »Wir wissen nicht, wer vielleicht zuhört. Sie war uns auf die Schliche gekommen. Sie musste weg. Man wird Faith Luscombes Lebensgefährtin dafür zur Rechenschaft ziehen. Insofern …« Gesetzgeber hob die Schultern. »Auf Regen …«
    Wächter beugte sich vor. »Bist du dir da sicher? Das wird uns nicht –«
    »Am Ende um die Ohren fliegen?«, ergänzte Gesetzgeber. »Nein, was das angeht, bin ich mir hundertprozentig sicher.«
    Wächter ließ sich wieder zurücksinken und betrachtete Gesetzgeber. Er mochte die Veränderung nicht, die er an ihm bemerkt hatte. Er hatte auf einmal diese Ruhe. Eisig. Als hätten ihn die Ereignisse der letzten Tage erst zu sich selbst finden lassen. Als hätte er durch sie seine wahre Persönlichkeit entdeckt. Wächter wusste nicht recht, ob sie ihm gefiel.
    Wusste nicht, ob er nicht als Nächster an der Reihe sein würde.
    »Der Junge ist wieder in Gärtners Obhut?«, fragte er.
    »Ja«, sagte Gesetzgeber und verschränkte die Arme vor der Brust. »Im Übrigen habe ich nachgedacht.«
    Die anderen warteten schweigend ab.
    »Wir hatten es ja bereits angesprochen. Es dürfte nicht allzu schwer sein, es in die Tat umzusetzen.« Er deutete auf Missionar. »Wir haben unseren neuen Freund hier. Unsere neue Einnahmequelle wird in Kürze online gehen. Es besteht kein Grund, weiterhin an den, sagen wir, alten Sitten festzuhalten.«
    Schweigen.
    »Weiter«, sagte Lehrer.
    »Wir sollten ihn der Polizei ausliefern. Sollen die sich ruhig mit den Lorbeeren schmücken. Sie fassen einen geistesgestörten Serienmörder, und wir haben die nötige Ablenkung für unsere Lieferung.«
    »Klingt gut«, meinte Lehrer. »Aber was, wenn er redet, nachdem er verhaftet wurde?«
    Gesetzgeber schüttelte den Kopf. »Bitte, trau mir ein wenig Intelligenz zu. Er wird nicht verhaftet werden. Es wird ein Team bewaffneter Einsatzkräfte vor Ort sein, um ihn zu überwältigen. Und genau das werden sie auch tun.«
    »Klingt … hervorragend«, sagte Wächter wenig überzeugend. »Bist du sicher, dass du das hinbekommst?«
    »Das bin ich.«
    »Weißt du denn, wo er zu finden sein wird?«
    Gesetzgeber nickte. »Im zweiten Versteck. Dort, wo Faith Luscombe hingebracht wurde.«
    »Und von wo sie fliehen konnte«, merkte Lehrer an.
    Zorn flackerte in Gesetzgebers Augen auf, nur ganz kurz, aber lange genug, um alle anderen am Tisch unruhig werden zu lassen.
    »Es wird alles gutgehen«, beharrte er.
    »Doch wenn wir uns von Gärtner verabschieden«, sagte Lehrer, »was wird dann aus dem Garten? Verabschieden wir uns auch von dem?«
    Gesetzgeber lächelte. »Ich denke nicht. Ich denke, er wird wieder neu bevölkert werden.«
    »Gut«, sagte Wächter mit einem Blick auf die Uhr. »Dann kommen wir später wieder zusammen.« Er sah in die Runde und nahm mit jedem Blickkontakt auf. »Wir dürfen die Nerven nicht verlieren. Wir sind so nahe dran, und es steht viel auf dem Spiel. Wir alle können uns auf eine einträgliche Zukunft freuen.«
    Gesetzgeber lehnte sich zu ihm hinüber und lächelte. Wächter lief ein Schauer über den Rücken.
    »Meinen Nerven geht es ausgezeichnet«, sagte er. »Wie geht es deinen?«
    Die Besprechung war zu Ende.

    97 Marina stand vornübergebeugt vor ihrem Schreibtisch im Einsatzraum, auf dem Tabellen und Karten ausgebreitet waren. Mickey näherte sich ihr, blieb unschlüssig neben ihr stehen und trat von einem Bein aufs andere, ohne etwas zu sagen. Irgendwann sah sie auf.
    »Mickey. Alles gut?«
    »Wie läuft’s denn so?«
    Mit einem Seufzer richtete Marina sich auf. Strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Zäh. Ich versuche gerade, auf Grundlage des Kalenders und der Orte, an denen unser Täter nachweislich gewesen ist, ein geographisches Profil zu erstellen.« Sie senkte den Blick. »Ich will rausfinden, ob bestimmte Orte mit bestimmten Jahreszeiten korrespondieren und so weiter.«
    »Und? Schon was gefunden?«
    Sie sah ihn an. »Bis jetzt noch nicht. Wenn diese Art von Profil aussagekräftig sein soll, dauert es seine Zeit, außerdem bräuchte man noch mehr Informationen, um das Gebiet