Stirb, mein Prinz
Zusammenstößen mit Paul. Allerdings erzählte er nicht alles. Worüber sie gesprochen hatten, behielt er für sich.
»Ich habe ihn laufenlassen«, meinte er schließlich. »Weil ich nicht glauben konnte, dass er was mit der Sache zu tun hat. Wie Sie sagten, er war komplett verwirrt. Hin und wieder hatte er klare Momente, aber nur ganz wenige.«
»Was ist mit Gail Banks?«
Phil merkte Don an, dass ihm diese Neuigkeiten sehr zu schaffen machten. Und wer hätte es ihm verübeln können? Der Fall hatte ihn sein ganzes Berufsleben hindurch – und darüber hinaus – beschäftigt, und jetzt musste er mit anhören, wie er auf derart nüchterne Fakten reduziert wurde. Er hoffte, dass es ihm nicht eines Tages genauso ergehen würde, wusste es aber besser. Es war das Schicksal eines jeden anständigen Ermittlers.
»Gail Banks«, sagte Clemens, »ist in den Neunzigern an einer Infektion im Zusammenhang mit ihrer Aids-Erkrankung gestorben.«
»Und wer sind dann jetzt die Ältesten, wenn die ursprünglichen entweder tot sind oder sich zur Ruhe gesetzt haben?«
»Inzwischen sind ihre Ämter mehr so etwas wie Codenamen«, sagte Fennell.
»Für den Fall, dass wir sie abhören«, ergänzte sein Part-ner.
»Und haben Sie?«, erkundigte sich Don.
»Wann immer es möglich war«, sagte Clemens.
»Aber die Beweise wären vor Gericht doch so oder so unzulässig.«
»Deshalb wollen wir Glass ja auch in flagranti erwischen«, erklärte Fennell.
»Außerdem«, fuhr Clemens fort, »könnten sie diese Codenamen bei einem Prozess ohne weiteres zu ihrer Verteidigung einsetzen. Sie könnten behaupten, dass sie niemals wirklich Menschen an reiche Perverse verkauft, sondern einfach nur zum Spaß Geheimgesellschaft gespielt hätten. Erbärmlich.«
Phil überlegte kurz. »Und wie haben Sie das alles nun rausgefunden? Sie haben doch Glass observiert.«
Fennell und Clemens warfen ihm einen vielsagenden Blick zu.
»Oh«, äußerte Phil nur.
»Genau«, sagte Clemens.
»Er ist einer von ihnen«, sagte Don. Noch ein Anlass mehr zur Bitterkeit.
»Er ist ihr neuer Gesetzgeber«, sagte Fennell. »Durch ihn haben wir überhaupt erst von den anderen erfahren. Robert Fentons Sohn, Michael Fenton …«
»Von Fenton Associates«, warf Phil ein.
»Ebender«, sagte Clemens.
»… ist der neue Wächter«, beendete Fennell den Satz.
Don schüttelte den Kopf. Er wirkte gebrochen, fand Phil. Als hätte seine Vergangenheit ihn verraten.
»Und die anderen?«, fragte er. »Der Missionar und so weiter?«
»Der Missionar, so nehmen wir an, war Adam Weaver«, sagte Fennell.
»Er geht in die Welt hinaus und zieht reiche Kunden an Land. Beziehungsweise Investoren«, sagte Clemens.
»Bis vor kurzem jedenfalls.«
»Dieser Gärtner«, meinte Phil. »Er ist immer noch da draußen. Er macht immer noch weiter.«
»Über ihn wissen wir nichts, abgesehen von seinem alten Namen. Und der hilft uns auch nicht weiter.«
»Stimmt«, pflichtete Fennell seinem Partner bei. »Aber das ist auch irrelevant. Er steht nicht im Mittelpunkt unserer Ermittlungen.«
»Aber er foltert und tötet nach wie vor Kinder«, sagte Phil. »Ist Ihnen das völlig gleichgültig?«
»Natürlich nicht«, antwortete Fennell. »Aber für diesen Fall spielt es keine Rolle. Unser Ziel ist es, Glass dingfest zu machen und seinem Menschenhandel ein Ende zu setzen. Darauf liegt unser Hauptaugenmerk.«
»Alles andere«, schloss Clemens, »ist sekundär.«
Phil erhob keine weiteren Einwände. Aber ihm war klar, dass er etwas tun musste.
»Was ist mit Lehrer?«, wollte Don wissen. »Früher war das Gail Banks. Und jetzt?«
»Nun ja«, sagte Fennell. »Gail Banks hatte eine Tochter …«
101 Lynn Windsor schien nicht gerade guter Laune. Im Gegenteil, sie kochte vor Wut.
Mickey betrachtete sie durch das Fenster im Beobachtungsraum. Neben ihm stand Marina.
»Ich kann verstehen, was Sie an ihr gereizt hat«, meinte sie.
»Betonung auf gereizt hat . Ich glaube, das war’s mit unserer Beziehung.«
Sie richteten ihre Blicke wieder auf Lynn Windsor. Sie saß im Vernehmungsraum am Tisch, die Hände vor sich auf der Tischplatte gefaltet, den Rücken kerzengerade. Wut und Empörung hielten sie aufrecht.
Bevor Mickey zum Büro von Fenton Associates gefahren war, hatte er sie angerufen und sie gebeten, sich draußen vor dem Gebäude mit ihm zu treffen. Er hatte gehofft, sie würde denken, dass es um ihre gemeinsame Nacht ging und er nicht wollte, dass ihre Kollegen etwas mitbekamen. Seine
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