Stirb, mein Prinz
sei ihr Mund plötzlich trocken.
»Und was ist das?«
Sie räusperte sich. »Meine Visitenkarte.«
»Richtig. Deine Visitenkarte. Und könntest du dir für mich die Karte einmal ansehen?«
Sie beugte sich vor und betrachtete die Karte.
»Kannst du bestätigen, dass deine Handynummer darauf steht?«
»Ja.« Furcht blitzte in ihren Augen auf. Er weiß Bescheid , sagte ihr Blick.
Mickey verkniff sich ein Lächeln, schöpfte Kraft aus ihrer Angst, wurde selbstsicherer. Er umkreiste sie, kam ihr immer näher. Aber jetzt nicht übermütig werden. Nicht die Kontrolle über sie und die Vernehmung verlieren. Er riss sich zusammen.
»Also, das hier ist mein Handy.« Er zog sein iPhone hervor und legte es auf den Tisch. »Kannst du mir sagen, wieso sich deine Telefonnummer in meinem Adressbuch befindet?«
Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht haben Sie sie eingespeichert. Weil Sie mich wiedersehen wollten. Tja, daraus wird jetzt wohl nichts mehr.«
»In Ordnung, ich formuliere die Frage anders. Kannst du mir sagen, wieso deine Nummer in meinem Handy unter dem Namen eines meiner Informanten abgespeichert ist? Und wieso die SMS , die er mir gestern geschickt hat, nie bei mir angekommen ist? Und wieso ich stattdessen eine ganz andere SMS erhalten habe, die komplett gegensätzliche Informationen enthielt? Hast du dafür irgendeine Erklärung?«
Lynn Windsor sagte nichts, sondern starrte ihn einfach nur an. Hass loderte in ihrem Blick.
Seine Gedanken wanderten zurück zum Abend zuvor. Er konnte kaum glauben, dass es sich um ein und dieselbe Frau handelte. Er verdrängte das Bild und konzentrierte sich.
»Du weißt also nicht, wie es kommt, dass die SMS meines Informanten abgefangen und manipuliert wurde?«
»Nein.«
»Und wieso deine Nummer anstelle von seiner eingespeichert ist?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
Sie stieß einen Seufzer aus. Er sollte Verärgerung signalisieren, doch konnte sie die Angst dahinter nicht ganz verbergen. »Das ist ja lächerlich.« Sie bemühte sich, Stärke in ihre Stimme zu legen, aber die zitterte zu sehr. »Geradezu krankhaft. Du willst bloß … bloß … dein schlechtes Gewissen beruhigen, weil du mit mir geschlafen hast. Und das lässt du jetzt an mir aus.«
Mickey runzelte scheinbar verblüfft die Stirn. »Ich habe kein schlechtes Gewissen wegen dem, was wir getan haben. Du?«
Erneut flog ihr Blick durch den Raum. Wie Spatzen, die in einer Scheune gefangen waren.
»Wenn das … wenn das dann alles war, dann … dann würde ich jetzt gerne gehen.«
Sie machte Anstalten aufzustehen. Sie wollte weg. Wollte, dass alles ein Ende hatte.
»Lynn, bitte setz dich wieder hin.« Mickeys Stimme war kraftvoll und streng.
Sie setzte sich.
Er hörte Marinas Stimme in seinem Ohr.
»Gut, Mickey, Sie haben sie. Jetzt passen Sie auf. Vertrauen Sie mir. Fragen Sie sie über den Gärtner.«
Mickey stutzte.
»Den Gärtner. Fragen Sie sie einfach nur, wo der Gärtner ist. Und wie Sie ihn finden können. Vertrauen Sie mir. Tun Sie’s.«
Mickey lehnte sich über den Tisch. Die Hände zusammengelegt, seine Stimme leise und verschwörerisch. Wir zwei gegen den Rest der Welt , signalisierte seine Körpersprache. Du steckst in Schwierigkeiten, aber ich kann dir helfen.
»Lynn …«
Sie hob den Blick. Aus der Nähe sah er, wie groß die Furcht in ihren Augen war. Er war heilfroh, dass er vor dem, was ihr solche Angst machte, selbst keine Angst zu haben brauchte. Was auch immer es war.
Oder wer.
»Lynn … wo finde ich den Gärtner?«
Und die Furcht, die er zuvor in ihrem Blick wahrgenommen hatte, war nichts im Vergleich zu der, die jetzt darin lag.
103 Gärtner richtete sich auf. Sah sich um. Lächelte.
Die Opferstätte war mit Blumen geschmückt. Sträuße waren gebunden, Farben und Düfte sorgsam zusammengestellt und an den richtigen Stellen im Raum platziert worden. Die restlichen Blumen hatte er auf dem Boden verstreut. Ihr Duft in dem kleinen Raum war überwältigend stark. Der Verwesungsprozess hatte bereits begonnen.
Gut. Genau so wollte Gärtner es haben. Genau so musste es sein.
Für das Opfer.
Auch die Kerzen standen schon bereit. Er hatte der Versuchung widerstanden, sie anzuzünden. Es war kalt und dunkel im Raum. Er hatte sich eine zusätzliche Schicht Kleider übergezogen. Fand sich mit Hilfe einer Taschenlampe zurecht.
Er sah zum Käfig. Der Junge war still. Lag zusammengerollt in einer Ecke. Er trug immer noch das dünne, am Rücken offene Nachthemd aus dem
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