Stirb, mein Prinz
eine sehr gute Ermittlerin. Meiner Ansicht nach« – er betonte die Worte, als würde er in der Kursive sprechen – »ist sie durchaus in der Lage, ihre Arbeit wiederaufzunehmen. Der Fall, mit dem ich sie betraut habe, ist mehr oder weniger eine Routineangelegenheit. Ich bin mir sicher, dass sie die Herausforderung meistern wird. Und angesichts der Etatkürzungen brauchen wir jeden, den wir kriegen können.«
Er lächelte, als sei das letzte Wort damit gesprochen.
»Gut. Ich wollte nur, dass Sie wissen, dass ich offiziell Bedenken anmelde, das ist alles.«
»Registriert.« Erneut lächelte er. »Dafür bezahlen wir Sie schließlich.«
Die Unterhaltung wurde abrupt unterbrochen, als Phil auf sie zusteuerte.
»Ah«, sagte Glass. »Hier ist er. Dann lasse ich Sie mal allein. Viel Glück.«
Er entfernte sich.
»Idiot«, knurrte Marina. Gleich darauf meldete sich ihr schlechtes Gewissen. So schlimm war er nun auch wieder nicht. Sie hatte schon ganz andere DCI s erlebt.
Sie vergaß Glass und drehte sich mit einem Lächeln zu Phil um. Noch immer klopfte ihr Herz bei seinem Anblick schneller. Sogar hier, unter Umständen wie diesen. Dann vielleicht sogar erst recht. Schließlich hatten sie sich während einer Ermittlung kennengelernt, es war also gewissermaßen ihre natürliche Umgebung. Sie arbeiteten zusammen. Wie früher. Genauso sollte es sein.
Manchmal konnte sie ihr Glück kaum fassen, dass sie jemanden wie ihn hatte.
Doch als er näher kam und sie sein Gesicht sah, verging ihr das Lächeln.
24 »Phil?« Sofort lag ihre Hand auf seinem Arm. Ihr Blick war voller Sorge. »Alles in Ordnung mit dir?«
Er schüttelte den Kopf, als erwache er aus einer Trance. Als hätte er sie bis dahin gar nicht wahrgenommen. »Marina. Hi.« Er blieb vor ihr stehen.
Sie senkte die Stimme. »Was ist los? Du siehst aus, als hättest du … ich weiß auch nicht … einen Geist gesehen.«
Sein Blick schweifte kurz ab, bevor er sie wieder fixierte. »Nein, mir … mir geht’s gut. Alles … gut.«
Sie wollte nachhaken, aber er ließ es nicht dazu kommen.
»Wir sollten uns beeilen«, meinte er, ohne sie anzusehen. »Ich habe die Spurensicherung gebeten, uns da unten ein paar Minuten allein zu geben. Ich komme mit und zeige dir alles. Ich kann dir sagen, ob irgendwas bewegt wurde und was ursprünglich wo gestanden hat. Und so weiter.«
»In Ordnung …« Sie betrachtete ihn immer noch nachdenklich. Phil war ein Mann voller reißender emotionaler Stromschnellen. Das lag in erster Linie an dem, was er in seiner Kindheit erlebt hatte – dem Guten wie dem Schlechten. Das war einer der Gründe, weshalb sie sich ursprünglich zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Seine innere Verletztheit, die auf Anhieb ein Gefühl der Verbundenheit in ihr geweckt hatte. Seine Leidenschaft, die sie mit ihm teilen wollte. Sie wusste natürlich, dass er aufgrund seines Berufs seine Gefühle meistens streng unter Verschluss hielt und niemanden in sein Inneres blicken ließ.
Aber bei ihr hatte er so etwas noch nie gemacht. Sie einfach ausgesperrt. Und genau das tat er jetzt, das spürte sie ganz deutlich.
Ein letzter Versuch. »Phil?«
»Mir geht’s gut.« Er entzog ihr seinen Arm. »Mir geht’s gut, ich bin bloß … müde.«
Sie sah ihn an und sagte kein Wort. Spürte, wie das Drahtseil, auf dem sie stand, zu schwingen begann.
»Also dann«, sagte er und klatschte in die Hände, als wolle er einen Bann brechen. »Bist du so weit?«
»Natürlich. Das ist schließlich mein Job.« Frostig. Gekränkt, das war nicht zu überhören.
Falls Phil es bemerkte, ging er nicht darauf ein. »Okay, gut. Dann komm.«
Er drehte sich um und ging voran, auf das Haus zu. Sie folgte ihm. Schob alles Persönliche beiseite. Sie würde das Haus ausschließlich als Psychologin betreten.
Emotionale Abschottung.
Um alles andere würde sie sich später kümmern.
25 »Pass auf, wo du hintrittst. Es ist ziemlich wacklig.«
Phil ging vor, Marina folgte ihm. Die Tatortleuchten brannten noch, und ihre Kabel zogen sich die Holzstufen hinauf bis zu den Generatoren draußen vor dem Haus. Die Treppe war nur breit genug für eine Person. Entsprechend vorsichtig stieg Phil hinab, während er sie die ganze Zeit hinter sich spürte.
Er ärgerte sich über sich selbst. Was er in dem anderen Haus gesehen hatte, hatte ihm einen Schrecken eingejagt, ihn regelrecht aus der Bahn geworfen, und er konnte sich nicht erklären, warum. Aber er wusste, dass die Antwort irgendwo in ihm
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