Stirb, mein Prinz
Eindrücke.«
»Gut«, sagte Phil. »Ich bin für alles dankbar.«
»Also. Der Junge war noch nicht lange hier«, begann Marina und wandte sich zum Käfig.
»Nicht?«
»Nein.« Sie zeigte auf den Käfig. »Das da ist eine Wartezelle. Er muss von woanders hierhergebracht worden sein. Der Käfig andererseits steht schon lange hier. Sehr lange.«
»Wie lange?«
»Dazu komme ich noch. Der Junge wurde zu einem ganz konkreten Zweck hierhergebracht. Und es war kein guter Zweck. Dies hier ist der Schlupfwinkel eines Killers. Ganz egal, wie er den Raum herausputzt, es ist und bleibt ein Schlachthaus.«
Sie schloss die Augen, drehte sich im Kreis und atmete dabei tief ein.
»Die Vorfreude … Er bringt sie hierher, um …« Ein weiterer tiefer Atemzug. »Er will seine Vorfreude steigern. Damit, damit … das Ritual – genau, das ist es. Es hat alles mit dem Ritual zu tun. Aber es entspringt nicht nur seiner Phantasie … nein … sein ganz persönlicher Fetisch oder dergleichen, nein …« Wieder ein Atemzug. Sie ging in die Hocke und sah sich um. »Es ist mehr als das …«
Phil wagte nicht zu sprechen. Fast war es, als befände sich Marina in einer Trance, als empfinge sie Nachrichten aus der Geisterwelt. Ihm war klar, wie grotesk das klang, aber der Vergleich drängte sich geradezu auf.
»Er muss am richtigen Ort sein, in der richtigen … Stimmung, um es genießen zu können. Nein, halt. Da steckt noch mehr dahinter. Noch mehr. Die Blumen … ja … der richtige … Zeitpunkt …«
Sie schlug die Augen auf. »Es dreht sich um Zeit. Das Ritual.« Sie betrachtete die Blumensträuße an den Kellerwänden. »Die Blumen, die sind … Es geht um … einen Wachstumskreislauf. Leben, erblühen, sterben. Mehrjährige Pflanzen.« Sie zeigte auf die Wand. »Und die Zeichnung da. Du hattest recht, es ist kein Pentagramm, nichts Satanistisches. Es ist … ich weiß auch nicht genau. Eine Art Kalender vielleicht? Wäre das denkbar?«
»Und die Sternform …«
»Ist gewissermaßen darübergelegt. Aber es ist definitiv kein Pentagramm. Eher eine Art … Logo, würde ich sagen.« In ihrer Stimme schwang Erstaunen mit.
Dann schloss sie erneut die Augen. »Aber das Kind … Was hat das Kind damit zu tun? Reife? Ernte? Ist das Kind Teil dieses Wachstumskreislaufs?«
Sie ging zur Werkbank.
»Diese Werkzeuge, Gartengeräte … Symbole, ja. Symbole … aber für was? Pflanzen, Wachstum? Beschnitt? Umgearbeitet zu – Operationsbesteck. Ja … Blumen, Natur, alles kommt aus der Natur … Beschnitt? Wachstumskreislauf, ja, genau das ist es …«
Sie drehte sich zu Phil um und sprach ihn direkt an. »Der Käfig. Die Knochen. Glaubst du, sie stammen von Menschen?«
Er schrak auf, und es dauerte eine Weile, bis er auf ihre Frage reagierte. »Na ja, ich denke, die Wahrscheinlichkeit ist groß …«
»Ja.« Sie wandte sich wieder ab. »Einige sind alt. Sehr alt. Sie sind schon seit Jahren hier, wahrscheinlich seit Jahrzehnten … ja …« Sie ging ganz nah an den Käfig heran, betrachtete ihn hochkonzentriert. »Was hat das zu bedeuten? Planung. Das ist es. Planung. Vorbereitung.« Sie schloss erneut die Augen. »Hier ist ein scharfer Verstand am Werk, der alles unter Kontrolle hat. Er ist schlau. Er ist geduldig. Ein Stratege. Das hier ist seit langem in Planung.«
»Du meinst … er macht das schon seit geraumer Zeit?«
»So ist es.«
»Wie lange?«
Sie richtete sich auf, öffnete die Augen ganz weit. Starrte erneut die Gitterstäbe des Käfigs an, als warte sie darauf, dass sie zu ihr sprächen.
»Seit Jahren.« Sie streckte die Hand aus, berührte die Knochen. »Jahrzehnten …« Unglauben und Angst schwangen in ihrer Stimme mit. »Er wurde nie gefasst …«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aufzeichnungen, würde er Aufzeichnungen anlegen … Vermutlich nicht. Wenigstens nicht im herkömmlichen Sinne. Nein, ich glaube nicht. Es sei denn …« Jetzt wandte sie sich wieder den Blumensträußen zu. »Die Blumen … unterschiedliche Sorten, unterschiedliche Jahreszeiten … Die Blumen … vielleicht sind sie … ach, ich weiß auch nicht …«
Und schon richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Käfig.
»Aus dem, was hier geschehen ist, dem, was er getan hat, spricht große Selbstsicherheit.« Sie berührte ein weiteres Mal die Gitterstäbe. »Es gibt … eine Steigerung. Und das ist gut, das ist ein gängiges Muster … so weit ist alles normal. Allerdings erlebt man bei Serientätern oft das Phänomen, dass sie mit der
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