Stirb, mein Prinz
Geschäften nachgehen. Weshalb regten sich die anderen überhaupt so auf? Noch dazu jetzt, wo –
»Robin?«, kam eine Stimme aus dem Bad. Er hatte fast schon vergessen, dass sie da war.
»Ja?«
»Ich bin gleich so weit.«
»Kann’s kaum erwarten, dich zu sehen, Süße. Ich wette, du siehst umwerfend aus.«
Hoffentlich. Bei dem, was sie ihn gekostet hatte. Und wehe, wenn ihre Leistung nicht auch umwerfend war. Osteuropäerinnen waren immer die Besten. Hatten einen Ruf zu verteidigen.
Noch ein Schluck Whisky. Gott, war der weich. Glitt einem die Kehle hinab wie feurige Seide. Überhaupt kein Nachbrennen.
Er lächelte und lachte schließlich leise. Robin. Ein kleiner privater Scherz. Sein Pseudonym. Sein Alias. Robin Banks. Er amüsierte sich jedes Mal, wenn er daran dachte. Die Ironie dahinter.
Er stellte sein Whiskyglas auf einem kleinen Tisch ab, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, machte die Beine lang und legte die Füße übereinander. Dann sah er an sich herunter. Maßanzug aus der Savile Row. Italienische Lederschuhe. Seidene Socken. Das Hemd aus der Jermyn Street. Wenn schon, denn schon.
Er seufzte. Am Tisch mit den anderen hatte er sich nichts anmerken lassen. War eisern bei seiner Version geblieben, auch als ihre Fragen ein wenig unbequem geworden waren. Hatte versucht, die Sache herunterzuspielen, nach außen hin ganz gelassen zu bleiben. Aber das Geschäft musste über den Tisch gehen. Unbedingt. So wie bisher konnte es nicht weitergehen, das stand außer Frage. Es würde Visionen brauchen, um den nächsten Schritt zu machen. Und Visionen, anders als Geld, waren etwas, was er im Überfluss besaß.
Und dennoch blieb dieser nagende Zweifel, dieses Gefühl, dass alles nur ein Kartenhaus war, das jeden Moment in sich zusammenstürzen konnte.
Er schob den Gedanken beiseite. Er war kein Mann, der zu Zweifeln neigte. Er zweifelte nie, Zweifel waren nutzlos. Und um jetzt noch damit anzufangen, war er zu alt.
Aber trotzdem …
Er seufzte. »Bist du langsam mal fertig da drinnen?«
»Augenblick …«
»Beeil dich gefälligst. Sonst bin ich gleich zu betrunken. Und dann kannst du deinem Trinkgeld Lebwohl sagen, Schätzchen.«
Durch die geschlossene Badezimmertür hörte er, wie jemand wütend Kosmetika hinknallte. Er schmunzelte. Gut. Mach sie aggressiv. Heiz ihr ein bisschen ein. Er mochte es, wenn sie Feuer hatten. Dann war das Erlebnis umso nachhaltiger.
Und es machte ihm die Sache leichter, wenn er ganz ehrlich war. In seinem Alter war das viel wert.
»Komm schon. Ich schlucke jetzt die kleine blaue Pille. Ich will sie nicht verschwenden.«
Er steckte sich die Tablette in den Mund und spülte sie mit einem Schluck Whisky hinunter. Hoffentlich stimmte das Timing. Einmal hatte er sich völlig verkalkuliert. Bei dem Mädchen hatte er fast keinen hochgekriegt, dafür war er dann den ganzen nächsten Tag mit einem verdammten Zelt in der Hose durch die Gegend gelaufen.
Er stellte das Glas wieder hin. Bemerkte, dass es leer war. Nahm den Telefonhörer ab, rief den Zimmerservice an und bat um eine neue Flasche.
Dann ließ er sich in den Sessel zurücksinken. Wartete.
Es klopfte an der Tür.
»Nanu, das ging aber schnell.«
Er stemmte sich aus dem Sessel und durchquerte auf steifen Beinen das Zimmer. Öffnete die Tür.
»Das muss ein neuer Rekord sein«, begann er. »Ich habe gerade erst –«
Und verstummte jäh.
»Nein. Nein …«
Er hatte gesehen, wer draußen stand.
Und was er in der Hand hielt.
»Oh nein … nicht du, nein …«
Die Gestalt trat ins Zimmer. Schlug die Tür hinter sich zu.
»Hör zu, es tut mir leid, okay?« Er wich vor dem Eindringling zurück. »Ich wusste nicht, dass du immer noch … da drin bist …«
Die Gestalt folgte ihm. Er konnte ihren heiseren, rasselnden Atem hören, roch den lehmigen Gestank der Verwesung. Beidem war er seit Jahren nicht mehr begegnet. Die bloße Erinnerung daran ließ ihn erschauern.
»Komm schon, doch nicht mich … Ich meine, doch nicht mich …«
Die Gestalt kam immer näher. Er drückte sich gegen die Wand.
Das war’s , dachte er. Aus und vorbei. Wenn ich nicht irgendwas tue. Mich irgendwie zur Wehr setze.
Er streckte die Hand nach dem Tisch aus, fühlte die leere Whiskyflasche. Packte sie am Hals und schlug damit nach dem Eindringling.
Der duckte sich. Die Flasche verfehlte seinen Kopf, traf ihn stattdessen an der Schulter. Ein Stöhnen, ein Ächzen, mehr nicht. Er kam unaufhaltsam näher.
In dem Moment spürte er die
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