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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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gesagt, du sollst dich warm anziehen, oder etwa nicht? Zieh dir noch was drunter.« Erneut betrachtete sie ihn. Wie es aussah, trug er bereits sämtliche Sachen, die sie für ihn eingepackt hatte.
    »Tante Donna …« Seine Stimme zitterte kläglich.
    Sie unterbrach ihn. »Ich hab’s dir schon mal gesagt, Ben, ich bin nicht deine Tante.« Ein weiterer Seufzer, und mit ihm kam die Wut. »Ich bin einfach Donna, kapiert?«
    Er nickte. »Donna …«
    »Was?« So langsam ging ihr die kleine Kröte auf die Nerven.
    »Wann fahren wir zu Mum?«
    »Ich …« Sie öffnete die Wagentür. »Ich geh kurz mal eine rauchen.«
    Sie brauchte ein bisschen, bis sie ihren steifen Körper vom Sitz gehievt hatte. Fröstelnd stand sie da und sah sich um. Die Septembersonne stand hoch am Himmel. Sie erschauerte und zog die Jacke fester um sich. Die Sonne spendete Licht, aber keine Wärme.
    Donna hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie waren. Sie war einfach losgefahren, Hauptsache weg, alles andere war egal gewesen. Hatte auch gar nicht gewusst, wohin sie hätten fahren sollen. Zuerst hatte sie sich irgendwo ein Hotelzimmer nehmen wollen. Mit dem Geld, das sie den Männern abgenommen hatte. Aber von der Vorstellung hatte sie sich schnell wieder verabschiedet. In einem Hotel würden sie zuallererst nach ihr suchen. Erst recht, nachdem sie einen von ihnen abgestochen hatte. Ihre Beschreibung würde überall kursieren, sie würden ihr Bild in den Nachrichten bringen, in den Zeitungen, sogar im Internet. Nein. Das kam also schon mal nicht in Frage.
    Aber irgendwo mussten sie hin. Also raus aus dem Stadtzentrum, Richtung Stanway. Irgendwann hatte sie das Schild für den Abzweig zum Zoo gesehen. Hatte Ben darauf hingewiesen. Er hatte gefragt, ob sie hinfahren könnten, und einen Moment lang hatte sie ernsthaft darüber nachgedacht. Kurz vor Toresschluss reingehen, sich irgendwo verstecken und die Nacht im Zoo verbringen. Genial. Damit würden die niemals rechnen. Aber auch den Plan hatte sie schnell wieder verworfen. Ihr waren auf Anhieb tausend Dinge eingefallen, die dabei schiefgehen konnten.
    Also war sie im Kreisverkehr bei dem neuen Gewerbepark abgebogen und hatte die Straße stadtauswärts genommen, runter zur A 12 . Richtung London und noch weiter. Entschlossen, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Stadt zu bringen.
    Unterwegs, als sie gerade durch Stanway fuhren, hatte sie in einer Reihe unauffälliger Häuser zwischen zwei Gärten mit Bäumen eine Nebenstraße entdeckt. Wald auf beiden Seiten. Sie war aufs Geratewohl in die Straße eingebogen.
    Zuerst war es eine einspurige Landstraße gewesen. Hier und da ein paar Häuser auf großen Grundstücken. Luxuriös. So ähnlich wie die, die sie bei Grand Designs gesehen hatte. Davor dicke Autos, Geländewagen. Donna hatte das nicht verstanden. Die Leute hatten Geld wie Heu, und dann kauften sie sich ein Haus ganz weit draußen, total versteckt, wo es niemand sehen konnte. Sie selbst würde das ganz anders machen. Würde sich das dickste, fetteste Haus kaufen, das es gab. Rundherum Lichter anbringen, damit es auch ja niemand übersah. Sollten ruhig alle wissen, dass sie Kohle hatte. Dass sie kein Loser war.
    Aber egal.
    Sie war der Straße immer weiter gefolgt, ohne zurück­zuschauen. Mal sehen, wohin sie führte. Der Wagen hatte angefangen zu schaukeln, als die Fahrbahn holpriger wurde, als Schlaglöcher sich in Krater verwandelten, der Asphalt endete und steiniger Erde Platz machte. Auch die Bäume waren immer weniger geworden. Bald waren gar keine mehr zu sehen gewesen. Stattdessen der Blick über die offene Landschaft.
    Die Straße verlief zwischen zwei Feldern, und man hatte meilenweit in jede Richtung sehen können. Es war so schön gewesen, so friedlich, so völlig anders als Donnas Leben in Colchester. Sie hatte ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, einfach anzuhalten und dazubleiben. Die stille, friedliche Landschaft zu betrachten. Für immer und ewig.
    Aber natürlich hatte sie das nicht getan. Sie war weiter­gefahren.
    Irgendwann waren die Bäume wieder zahlreicher geworden, und sie waren in einen Wald gekommen. Nach einer Weile hatte die Straße dann endgültig aufgehört. Hier, hatte sie beschlossen, würden sie die Nacht verbringen.
    Ben hatte gejammert, er sei hungrig, also hatte sie gewendet, war zum Gewerbepark zurückgefahren und hatte bei McDonald’s zwei Menüs geholt. Sie hatte gewusst, dass sie damit ein Risiko einging, aber er war so wahnsinnig quengelig

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