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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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den Gedanken. Pure Einbildung.
    Sie erinnerte sich an den vergangenen Tag. An die Auseinandersetzung im Pub. Offenbar hatte die Sache kein Nachspiel gehabt. Niemand hatte sich über sie beschwert. »Gut«, sagte sie. »Ich wollte heute noch ein paar Hinweisen nach­gehen. Exfreunde und so weiter. Es gibt noch nichts Konkretes.«
    Sie saß auf der Kante ihres ungemachten Betts. Ihr kam es so vor, als beschränke sich ihre Welt auf dieses eine Zimmer. Alles andere gab es gar nicht, nicht einmal den Rest ihrer Wohnung. Der Fernseher in der Ecke, Kleiderhaufen auf dem Boden, saubere und Schmutzwäsche durcheinander. Schmutzige alte Becher mit Kaffeerändern auf halb ausgelesenen Taschenbüchern. Teller mit vertrockneten Brotresten, die unter dem Bett hervorschauten. Sie seufzte.
    »Zeitaufwand? Irgendeine Idee?«
    »Schwer einzuschätzen«, sagte sie und kickte eine leere Weißweinflasche unters Bett. Sie hörte sie davonrollen und klirrend gegen eine andere stoßen. »Aber allzu lange wird es wohl nicht dauern. Es ergibt sich bestimmt bald was.«
    »Gut. Gut.«
    »Ich dachte, wir wollten uns heute Morgen ohnehin noch treffen? Zu einer ausführlichen Besprechung?«
    »Ja …« Glass’ Stimme wurde vorsichtig, verhalten. »Das wird schwierig werden. Hier ist die Hölle los.«
    Sie stand auf. »Aber ich dachte, ich soll heute aufs Revier kommen.«
    »Nein.« Hastig hervorgestoßen. Scharf. »Wie gesagt, hier ist der Teufel los. Wir haben zwei Fälle, die sämtliche Ressourcen und alles Personal in Anspruch nehmen. Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns telefonisch verständigen. Bis auf weiteres.«
    Das war der Moment, in dem die Wut sie wieder packte. Weil ihr, noch während er sprach, klar wurde, was er da tat. Er drängte sie an den Rand. Und sie wusste genau, wer den gesamten Büroplatz zur Verfügung hatte. Wessen Fälle Priorität genossen. Oh ja. Danach musste sie nicht erst fragen.
    »Aha«, sagte sie. »Gut. Ich melde mich dann also, wenn es was Neues gibt.«
    Sie legte auf. Warf das Telefon aufs Bett und setzte sich daneben.
    Phil Brennan. Schon wieder dieser gottverdammte Phil Brennan. Immer der. Immer. Von dem Vorrat an Hass in ihrem Innern hatte sie einen Teil nur für ihn reserviert. Weil er alles war, was sie selbst nicht war. Erfolgreich. Beliebt. Beförderungswürdig. Ja, schon gut, sie war auch befördert worden. Trotzdem. Ihm fiel alles in den Schoß. Das war von Anfang an so gewesen.
    Erneut sah sie sich im Schlafzimmer um. Ihr Kosmos. Das hier war alles, was sie besaß. Alles, was sie im Leben vorzuweisen hatte.
    Sie hatte nie zur Polizei gehen wollen. Nicht wirklich. Sie hatte es nur gemacht, um ihren Vater zu beeindrucken. Er war Detective Chief Inspector bei der Met gewesen. Hoch angesehen. Hoch dekoriert. Einer der besten Ermittler seiner Zeit. Das war es, was alle von ihm sagten – und was er auch selbst von sich behauptete, allerdings mit einigen zusätzlichen Profanitäten ausgeschmückt.
    Sie hatte zu ihm aufgeschaut. Ihn bewundert. Aber nur von ferne. So war es immer gewesen, auch schon vor der Scheidung. Ihr Vater war ständig unterwegs gewesen. Arbeiten – oder netzwerken, wie er es nannte. Irgendwann hatte ihre Mutter es sattgehabt. Er feiere doch bloß, hatte sie gesagt. Lasse es sich umsonst von irgendwelchen Flittchen besorgen. Zuerst hatte er gelacht und ihr gesagt, dass sie keine Ahnung habe, wovon sie rede. So sei das nun mal in dem Job, in dem beruflichen Milieu. Er müsse sich auf diesen Partys und auf diesen Veranstaltungen sehen lassen. Ihre Mutter hatte nichts darauf erwidert. Ihn nur in stummer Verachtung angesehen. Und den Dingen ihren Lauf gelassen.
    Sie ignorierte die anderen Frauen, den Alkohol. Und akzeptierte zähneknirschend die unerwarteten Geschenke. Urlaubsreisen, ein Anbau am Haus, neue Autos. Alle durch den einen oder anderen unverhofften Geldregen finanziert. Sie war nicht dumm. Sie wusste, dass er sich damit ihr Schweigen erkaufen wollte. Und sie machte mit, wenngleich widerstrebend. Solange die zwei Welten streng getrennt blieben, so lange musste sie gar nicht wissen, dass es die andere Welt überhaupt gab.
    Das Kartenhaus hielt. Jahrelang. Bis die eine Welt in die andere eindrang. Bis ihre Mutter feststellte, dass sie sich mit Tripper angesteckt hatte.
    Sie stellte Roses Vater zur Rede. Wie konnte er nur? Wie konnte er es wagen? Das Geld, meinetwegen – sie hatte weggeschaut. Der Alkohol – sie hatte nichts gesagt. Selbst dass er irgendwelche Flittchen

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