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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Worum ging es noch gleich? Strategiesitzung zur Etatplanung. Lieber nicht. Obwohl konkrete Maßnahmen genauso gut auf untergeordneter Ebene hätten entschieden werden können. Im mittleren Management. Dazu war es schließlich da.
    Und danach? Lunch in der Stadt, Gespräch über die geplante Erweiterung mit einem Bekannten aus dem Stadtrat. Alles auf Spesen. Dann vielleicht schnell eine Runde Golf im Colne Valley Golf Club. Also. Das sah doch nach einem ganz passablen Tag aus.
    Lister nickte einer Krankenschwester zu. Die erwiderte sein Lächeln und sah ihn dabei mit leicht gesenkten Augen von unten her an. Das gefiel ihm. Unterwürfig und suggestiv zugleich. Außen hui, innen pfui. Köstlich.
    Er nahm sie in Augenschein, als sie an ihm vorbeiging. Jung, hübsch. Nicht zu üppig. Genau sein Typ. Knospend. Das war das Etikett, mit dem er solche Frauen für gewöhnlich versah. Knospend.
    Er wartete ab, bis sie um eine Ecke verschwunden war, dann ging er weiter.
    Der Gedanke an die Krankenschwester löste eine ganze Kette von Assoziationen in ihm aus. Schade, dass es nicht mehr war wie früher, als die Schwesternuniformen noch ausgesehen hatten wie aus einem Erotikshop. Etwas, wofür sich ein junger Mann begeistern konnte, mit echtem Fetischpotential. Nicht wie heutzutage. Das müsste er mal in einem Meeting zur Sprache bringen. Behaupten, es fördere die Genesung der Patienten und die allgemeine Arbeitsmoral.
    Er dachte an einen befreundeten Zahnarzt, der ausschließlich junge, schlanke, knackige Arzthelferinnen beschäftigte. Wären ihre Uniformen noch ein bisschen durchsichtiger gewesen, hätte ihn jemand vors Arbeitsgericht gezerrt. Und er legte Wert darauf, dass sie stets passende Unterwäsche trugen. Weiße Spitze. Er hatte sich gewundert und seinen Freund gefragt, wie er damit durchkäme. Damit durchkäme? Die Warteliste seiner Patienten sei länger als die der Gefallenen auf dem Kenotaph in Whitehall. Er hatte auf den Benz gezeigt, der draußen vor dem Restaurant parkte, in dem sie gerade aßen. Der da, hatte er gesagt, wurde zu hundert Prozent durch die Phantasien alternder Männer finanziert.
    Lister musste schmunzeln. Er sollte hier im Krankenhaus definitiv etwas Ähnliches anstoßen.
    Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Tagträumen.
    Jerry , dachte er. Will die Verabredung zum Golf heute Nachmittag bestätigen.
    Er fischte sein iPhone aus der Sakkotasche und nahm das Gespräch an.
    »Hallo?«
    Nichts. Nur Knistern.
    »Hallo?« Er seufzte. Wahrscheinlich wieder einer dieser automatisierten Anrufe. Gleich würde man ihn bitten, nicht aufzulegen, sondern diese oder jene Taste zu drücken, damit er zu irgendeiner sündhaft teuren Verbindung nach Sri Lanka durchgestellt werden konnte oder weiß der Teufel was. Er wollte die Verbindung gerade trennen, als er am anderen Ende eine Stimme hörte.
    »Hallo, Samuel.«
    Zuerst wusste er nicht, wer es war. Dann fiel es ihm ein. Und ihm war, als beginne die Realität sich um ihn herum aufzulösen.
    »Was … was wollen Sie?« Er blieb stehen und bedeckte das Telefon mit der Hand, so dass Vorbeigehende nicht sehen oder hören konnten, dass er sprach. »Warum rufen Sie mich an?«
    »Ich brauche eine kleine Gefälligkeit, Samuel.«
    »Das können Sie nicht machen.« Plötzlich war seine Kehle staubtrocken. Seine Stimme klang brüchig. Ein ausgedörrter Wüstenboden.
    »Ich kann, und ich werde.«
    Lister sah sich um. Fast rechnete er damit, dass der Rest der Welt mit ihm zum Stillstand gekommen war. Doch um ihn herum ging alles seinen gewohnten Gang.
    »Nein. Das geht nicht. Ich … ich lege jetzt auf.«
    »Nein, das werden Sie nicht tun, Samuel. Leute, die sagen, dass sie auflegen werden, legen nie auf. Sie bleiben einfach dran. Und warten. Ist es das, was Sie jetzt gerade machen, Samuel?«
    »Ich … ich lege auf. Jetzt sofort.« Der Protest war schwach. Er machte keine Anstalten, die Verbindung zu trennen.
    »Oh. Sie sind ja immer noch da, Samuel. Wie kommt’s?«
    Erneut blickte Lister sich um. Bestimmt starrten ihn alle an. Zeigten mit Fingern auf ihn und lachten ihn aus. Fragten sich, wieso ihr Personaldirektor schwitzend und stammelnd auf dem Flur stand. Aber nein: Niemand nahm von ihm Notiz. Alle waren mit ihren eigenen Dingen beschäftigt.
    »Ich … ich …«
    »Sie werden tun, was ich von Ihnen verlange, Samuel. Das wissen Sie genau. Was Sie damals getan haben, hatte einen Preis, darauf haben wir Sie von Anfang an hingewiesen. Sie haben dem zugestimmt.

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