Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
Vom Netzwerk:
unmittelbare Akt seiner Zerstörung. Ein Mord signalisierte ein Ende, aber zugleich auch einen Anfang: den Anfang seiner Arbeit. Doch der Tatort am Tag danach signalisierte nur eins: dass das Leben weiterging. Und in gewisser Weise war das schlimmer. Denn eines Tages würde ihn dasselbe Schicksal ereilen.
    Er schüttelte den Kopf. Seit Josephinas Geburt wurden seine Gedanken immer morbider. Ihre Existenz hatte ihm vor Augen geführt, dass es eines Tages eine Welt ohne ihn geben würde, in der sie weiterlebte. Er wusste, dass das richtig war, der natürlichen Ordnung entsprach. Doch das machte ihm den Gedanken nicht leichter.
    »Dann bringen Sie mich mal auf den neuesten Stand«, bat er und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. »Gibt es schon Fortschritte?«
    »Keine nennenswerten«, antwortete Jane. »Wir haben alle anderen Zimmer durchsucht und die Gäste befragt, ob ihnen irgendwas Verdächtiges aufgefallen sei. Nichts. Erst als das Mädchen angefangen hat zu schreien.«
    »Und die Hotelmitarbeiter?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Dasselbe. Niemand hat was gesehen oder gehört. Bis zu den Schreien.«
    Phil nickte und schaute sich erneut im Zimmer um. Nahm die Leere wahr. Das Gefühl von Abwesenheit. Versuchte, seine Gedanken auf das Konkrete zu lenken, nicht auf das Abstrakte. Weavers Sakko lag noch auf dem Bett, seine übrigen Sachen hingen im Schrank. Die Unterwäsche der Frau lag auf der Bettdecke neben diversen Sexspielzeugen. Verpackungsreste deuteten darauf hin, dass sie speziell für die Gelegenheit gekauft worden waren.
    Phil runzelte die Stirn. Irgendetwas …
    »Jane«, sagte er. »Woher kam die junge Frau? Die, die hier im Zimmer war?«
    Jane Gosling zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Wie heißt sie denn?«
    Sie sah in ihrem Notizbuch nach. »Maria. Und dann … Gott, ich kann das gar nicht lesen. Hier, versuchen Sie mal.«
    Phil tat sein Bestes.
    »Luko … sevic … ius … ichius?«, entzifferte Jane schließlich. »So was in der Art. Aus Osteuropa, wie es aussieht.«
    »Wissen Sie, woher genau? Aus welchem Land?«
    Ein weiterer Blick in ihre Aufzeichnungen. »Litauen, hat sie gesagt.« Jane sah ihn verdutzt an. »Moment mal, warum klingelt’s da bei mir?«
    »Weil Weaver in Litauen gelebt hat. Und die Hotelangestellten hier – die Frau, die mich hergeführt hat, kommt auch aus Litauen. Und der Bauunternehmer, mit dem Mickey gesprochen hat …«
    »Ein Zusammenhang«, meinte Jane. »Oder Zufall?«
    »Keine Ahnung«, sagte Phil. »Noch weiß ich es nicht.« Er ließ seinen Blick wieder durch den Raum schweifen. Er musste raus hier. »Ich schaue mich mal kurz draußen um. Vielleicht bringt mich das auf eine Idee.«
    Er verließ das Zimmer.
    Die Luft draußen kam ihm kälter vor als gestern. Der Sommer war im Begriff, den Kampf gegen den Herbst zu verlieren. Das Laub färbte sich braun und rot. Phil ging an der Küche und Müllcontainern vorbei um das Gebäude herum. Es gab mehrere Nebengebäude auf dem Gelände. Auch sie waren alt, aber ihnen fehlte der gepflegte Charme des Haupthauses. Mitarbeiterunterkünfte , dachte er. Dahinter lag der Fluss.
    Er ging ans Ufer und starrte ins Wasser.
    Dann traf es ihn wie ein Schlag. Diesmal war es nicht nur ein Gefühl, eine Ahnung, sondern etwas Handfestes. Greifbares. Eine Erinnerung.
    Sein Herz setzte einmal aus, als er begriff, was es war. Erneut blickte er den Fluss entlang, erst flussaufwärts, dann flussabwärts, dann zurück zum Hotel. Schaute zum Dach hinauf, sah die Silhouette der Schornsteine und der Bäume.
    Und wusste, was die Erinnerung ihm sagen wollte.
    Er war hier schon einmal gewesen.

    52 Samuel Lister schritt den Krankenhausflur entlang und genoss es, wie man ihn ansah. Lächeln. Weit und breit nichts als Lächeln. Und das Beste: Sogar die, die ihn nicht leiden konnten, lächelten.
    Er mochte alles an seinem Job. Nun ja, fast alles. Der persönliche Kontakt zu den Mitarbeitern, die endlosen Meetings – das war lästig. Aber der Rest machte das mehr als wett. Die Festessen, die Partys. Golf. Der Dienstwagen, den das Krankenhaus für ihn bezahlte. Das Geld. Oh ja, das Geld.
    Und die Vergünstigungen. All die wundervollen Vergünstigungen.
    Ja, es hatte durchaus Vorteile, Chef der Personalabteilung des Krankenhauses zu sein.
    Während er durch den Flur ging und sich am Widerhall seiner eigenen Schritte erfreute, plante er in Gedanken den bevorstehenden Tag. Vormittags eine Besprechung. Konnte er sich davor irgendwie drücken?

Weitere Kostenlose Bücher