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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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immer brauchen. Sieht er gut aus?«
    »Eher durchschnittlich.« Sie wirkte enttäuscht. »Aber ich finde ihn schön.« Ich merkte, dass ich rot wurde.
    Meine Mutter kam auf mich zu, wobei die Plastikbeutel auf dem Fußboden quietschten. Sie nahm meine Hand. Ihre fühlte sich trocken und rau an.
    »Ist es etwas Ernstes?«
    »Ja, sehr ernst.« Das war nicht einmal gelogen.
    »Wann lernen wir ihn kennen?«
    »Ähm, ich weiß nicht, ob das so gut wäre. Es ist nämlich so … also, ihm geht es nicht gut.« Ich erinnerte mich an das Gespräch mit meinem Vater. »Er hat Krebs.«
    »Krebs? Oh Alice! Wo denn?«
    Mit der Frage hatte ich nicht gerechnet. Für einen Moment wurde ich panisch. Dann sagte ich: »Es ist Magenkrebs. Man kann nichts mehr machen. Er hat nicht mehr lange zu leben.«
    Meine Mutter schloss mich in die Arme und überwältigte mich mit dem Duft ihres Maiglöckchenparfüms. Mein Kinn lag an ihrer Schulter. Die Merinowolle ihres Pullovers kratzte an meiner Haut.
    »Wie lange hat er denn noch?« Sie klang, als weine sie, aber ich konnte ihr Gesicht nicht sehen.
    Ich dachte an Smith und daran, wie weit wir schon gekommen waren. Wie weit wir noch zu gehen hatten. »Nicht mehr lange.«
    Cate Austin sieht von ihrem Notizblock auf. »Um sie darauf vorzubereiten, haben Sie Ihren Eltern also erzählt, David habe Krebs im Endstadium. Dass Sie an seinem Tod beteiligt waren, muss trotzdem ein entsetzlicher Schock für die beiden gewesen sein.«
    »Mir geht es nicht gut, Miss Austin.« In meinen Schläfen breitet sich ein dumpfes Ziehen aus. Gleich werden meine Kopfschmerzen einsetzen. Mir wird schwindelig. Es ist kurz nach fünf, und ich bin müde. Ich bin es leid, meine Stimme zu hören, bin meiner Erinnerungen überdrüssig.
    Widerwillig klappt sie den Block zu und greift nach ihrem Terminkalender. »Die Anhörung findet in weniger als zwei Wochen statt. Wie wäre es, wenn wir uns Montagmorgen weiter unterhalten? Könnten Sie dann wieder herkommen?«
    Ich schaudere. »Ich weiß etwas Besseres. Warum treffen wir uns nicht in der Universität? In meinem Büro, das darf ich schließlich noch benutzen. Wenn Sie frühzeitig kommen, könnte ich Ihnen etwas Interessantes zeigen.«
    »Was denn?« Gespannt sieht sie mich an.
    »Sie wollen mich besser kennenlernen und vieles von dem, was Sie wissen möchten, werden Sie erkennen, wenn Sie mich bei einer Vorlesung erleben.«
    Sie legt die Stirn in Falten. »Ich dachte, Sie seien suspendiert worden.«
    »Richtig. Aber einige meiner Vorlesungen sind zu meiner Beurteilung aufgenommen worden. Ich möchte Ihnen eine zeigen, die ich jedes Jahr halte. Für Studenten der englischen Literatur. Es ist eine Einführung in das Werk von Keats. Vielleicht werden Sie danach besser verstehen, was zwischen Smith und mir geschehen ist.«
    »Ich fürchte, das wird mir zu hoch sein. Mit romantischer Dichtkunst habe ich mich noch nie befasst.«
    »Keine Sorge, Miss Austin. Ich werde Sie nachher nicht prüfen.«
    Wir sehen uns an und wissen beide, dass wir einander fortwährend prüfen, wenn auch nur auf unterschwellige Weise. Sie blättert sich in ihrem Block zu einer leeren Seite vor und notiert sich die Wegbeschreibung. Dann begleitet sie mich hinaus in den leeren Wartebereich, in dem es nach Zigaretten und Alkohol stinkt. Als ich die Luft einatme, verstärkt sich das Schwindelgefühl. Ich stolpere und fühle mich krank.
    »Sie haben übrigens unrecht.«
    »Worin?«
    »In dem, was Sie in Ihren Computer eingegeben haben. Dass meine Adoption von Bedeutung sein könnte. Solche Gedanken werden Sie in die Irre führen.« Ich wende mich ab, verlasse das Gebäude in Richtung Platzplatz und spüre, dass sie mir nachschaut.

Acht
    1977    Matty wusste, dass sie ihr Geheimnis niemandem anvertrauen konnte, erst recht nicht ihrer Mutter. Es war so viel einfacher, Stillschweigen zu bewahren. In einem großen Haus, wo man den anderen aus dem Weg gehen konnte, war es das Einfachste überhaupt. Einzig am frühen Morgen war es schwierig. Danach ging sie zur Schule, und wenn sie nachmittags zurückkam, lernte sie in ihrem Zimmer, bis es Zeit zum Abendessen war. Ihre Mutter war nie zu Hause, um das zu tun, was andere Frauen offenbar taten. Sie war keine der gut gelaunten Frauen aus der Fernsehwerbung, die kochten, putzten und sich um ihre Kinder kümmerten. Für solche Tätigkeiten hatte ihre Mutter Hilfe. Sie selbst war den ganzen Tag mit Telefonaten, Besuchen und Wohltätigkeitsbällen beschäftigt, da blieb

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