Stirb mit mir: Roman (German Edition)
wie ich damals, als meine Welt zerbrach. Cate reicht mir ein verschmiertes Glas Wasser und schaut auf ihren Computer. Als sie erfasst, was da noch auf dem Bildschirm steht, weitet sich ihr Blick. Es sind ihre Notizen über unser gestriges Gespräch, die ich gelesen habe. Ich bin eine schnelle Leserin, dank der vielen Aufsätze, die ich in den letzten Jahren korrigiert habe. Ein Mausklick, und der Text auf dem Bildschirm verschwindet.
Ich trinke ein Schlückchen Wasser und betrachte das Foto ihrer Tochter. Cate tippt gegen den Rahmen und dreht es weiter von mir fort.
»Als Erstes möchte ich Sie nach dem Zeitraum fragen, in dem Sie und David Jenkins seinen Tod geplant haben. Vermutlich haben Sie längere Zeit darüber nachgedacht und Vorbereitungen getroffen.«
Ich lasse eine Pause entstehen und erinnere mich an die Wahl, die sie am Vortag erwähnt hat. An die Option, mit ihr zu reden, um dem Gefängnis zu entgehen. Allerdings möchte ich ihr den Sieg nicht zu leicht machen und schweige noch ein wenig länger. In ihrem Blick flackert Unsicherheit auf. Sie weiß noch nicht, ob ich reden werde.
»Ja«, antworte ich zu guter Letzt. »Das haben wir getan.«
Froh darüber, dass ich mich an dem Glas Wasser festhalten kann, lehne ich mich auf dem niedrigen Stuhl zurück. Cate dreht sich halb zu mir um. Ihr Schreibtisch steht an der Wand und kann uns nicht trennen. Das können nur die Worte, die zwischen uns stehen bleiben. Sie zieht einen Block heran und zückt einen Stift, eine Aufforderung an mich, zu beginnen. Ich habe meine Wahl getroffen und entschieden, dass ich keine Wahl habe. Deshalb werde ich reden, allerdings so, wie ich es wünsche und indem ich den Anfang bestimme.
Cate Austin stellt zu viele Fragen. Ich muss vorsichtig sein. In Kürze wird sie sich nach dem abgetrennten Stück Haut erkundigen, nach dessen Verzehr. So etwas ist schwierig zu erklären, deshalb gehe ich lieber ein paar Schritte zurück, zu einer anderen Geschichte. Sie muss begreifen, woher ich komme, warum die Liebe derart zerbrechlich ist. Ich erzähle ihr meine Geschichte und hoffe, dass sie mich versteht. Davon hängt meine Freiheit ab.
Ich erzähle ihr Folgendes:
Obwohl vor Smiths Tod sehr viel zu überlegen war, machte ich mir Sorgen, was meine Eltern betraf. Ich müsste sie auf irgendeine Weise vorbereiten, dachte ich, so behutsam, wie ich konnte. Ich sagte mir, wenn ich mit ihnen vor dem Ereignis darüber sprach, kämen sie hinterher besser zurecht, sowohl mit seinem Tod als auch mit dem Tamtam, das die Presse um mich machen würde.
Es war im letzten April, noch vor Ostern. Da kannte ich Smith seit zwei Monaten. In zwei weiteren sollte er tot sein.
Ich wollte nicht, dass meine Eltern von unserem Pakt aus den Schlagzeilen erfuhren. Es wäre entsetzlich für sie gewesen, in einem Zeitungsbericht zu lesen, dass ihre Tochter jemandem geholfen hatte, Selbstmord zu begehen. Ich hoffte, sie darauf vorbereiten zu können. Die Leidenschaft, nach der Smith und ich strebten, würden sie nie begreifen, das war mir bewusst. Wir wollten den perfekten Moment abpassen und einen Rausch absoluter Reinheit erleben, der für immer festgehalten würde. Meine Eltern führten ein normales Leben in einem Umfeld ohne Wärme. Für sie gab es keine extremen Gefühle. Ihre Liebe war erloschen, trotzdem blieben sie zusammen, wie zwei gleichgültige Tiere in einem Käfig. Hatten sie jemals an Flucht gedacht oder sich eine Alternative vorgestellt? Ich glaube nicht.
Meine Liebesgeschichte mit Smith würde sich ihrem Verständnis entziehen. So wie sie auch mich nie verstanden hatten. Wenn sie sich nur ein einziges Mal die Zeit dazu genommen hätten, ein paar Minuten bloß … aber nein, das war ihnen nicht gegeben, und um sich ändern, braucht man Kraft. Sie führten ihr Leben ohne Emotionen, mit von Betablockern gefestigten Herzen.
Ich entschied mich für einen anderen Weg. Was zwischen mir und Smith geschah, die Symmetrie, die sich herauskristallisierte, war wahrer als das, was ein Kunstwerk jemals aussagen kann, wahrer als Bücher und alles, was ich vor ihm gekannt hatte. Smith war meine Erfüllung. Seinerzeit hatte unsere Reise gerade begonnen, doch schon da dachte ich praktisch, obwohl mich die lästigen Kleinigkeiten schier erdrückten. Dazu gehörte auch der Gedanke an das, was meinen Eltern bevorstand. Ich musste sie vorwarnen.
Da sie sich selten zusammen in einem Raum aufhielten, musste ich mit jedem von ihnen einzeln reden. Ich begann mit meinem
Weitere Kostenlose Bücher