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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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das? Smith und ich waren schließlich nicht einzigartig. Es gibt auch Menschen, die den Tod als Ausdruck ihrer Liebe gewählt haben. Ich denke an Fälle in anderen Ländern, die der Presse entgangen sind. Wer hat denn schon in Frankreich oder Amerika von mir gehört? Als ich damals den Bericht über Armin Meiwes in der Zeitung las, fragte ich mich, wie das Ganze wohl abgelaufen war. Demnach könnte jetzt jemand einen Bericht über mich lesen und sich sagen, dass er eigentlich das Gleiche tun könnte.
    Das halte ich nicht für ausgeschlossen.
    Ich träume, dass ich im Bett liege, aber nicht im Bett dieses Krankenzimmers. In meinem Traum schlafe ich zu Hause.
    Von oben schaue ich auf meinen schlafenden Körper hinab, um den sich ein weißes Laken windet. Es ist Nacht, und ich wälze mich hin und her. Bei jeder Drehung wickelt sich das Laken enger um mich, wie eine Schlange, die mich erdrückt. Dann erkenne ich, dass ich nicht allein bin. Neben mir liegt Smith, oder vielmehr der, der er einmal war: sein Körper, seine Hülle, das Haus, in dem seine Seele gewohnt hat, falls Sie an solchen Unsinn glauben. Sein Körper ist dabei zu verfaulen, selbst im Traum kann ich den Gestank des vermodernden Fleisches riechen. Sein Mund ist geöffnet, und ich werde nach unten gezogen, hinein in dieses schwarze Loch. Um ihn herum summen Fliegen, und bei dem Geruch muss ich würgen, trotzdem sinke ich immer tiefer in seinen Körper. Als ich aufwache, habe ich mich im Laken verheddert. Wässriges Licht dringt durch die Vorhänge und sagt mir, dass der nächste Morgen angebrochen ist.
    Nach dem Frühstück kommt Dr.   Gregg vorbei. Ich setze mein schönstes Lächeln auf, trage einen Kaschmirpullover und Jeans. Auf meine Handgelenke und hinter meine Ohren habe ich Chanel N°5 getupft. Ich sehe ganz und gar nicht mehr verrückt aus. Mein Haar ist ordentlich frisiert. Dr.   Gregg schaut mich an, als würde er mich nicht erkennen.
    »Offenbar hat Ihnen jemand etwas zu anziehen vorbeigebracht, Alice. Sie müssen erleichtert sein. Gut sehen Sie aus.«
    Er weiß nicht, in welche Schublade er mich in dieser Kleidung stecken soll. Ich trage eine andere Uniform, und das verwirrt ihn. Noch vor wenigen Tagen war ich verrückt, heute dagegen bin ich geistig gesund. Wofür soll er sich jetzt entscheiden? Ich hoffe, sein Stolz verbietet ihm nicht, mich zu entlassen. Schließlich hätte er mich zuerst einschätzen und den Klinikaufenthalt vorbereiten müssen, statt mich vorschnell wegzusperren. Die Einweisung war ein Fehler, den er ruhig zugeben könnte. Ich hoffe, er hat seinen großzügigen Tag.
    Er zieht einen Stift vom Kragen und lächelt einnehmend. Es ist eine Einladung, mich ihm anzuvertrauen. »Sie wirken heute viel ruhiger.«
    Ich beschließe, mich weiterhin unterwürfig zu geben. »Vielen Dank, ich fühle mich schon viel besser. Ich weiß gar nicht, was neulich über mich gekommen ist.« Ich rede wie die Heldin in einem viktorianischen Roman und muss an das Wort »schwanken« denken. Meine Stimme tut es bereits.
    »Das freut mich.« Skeptisch beäugt er mich, als sei ich ein Objekt in einer Petrischale. Er trägt eine Jacke aus Cordsamt und wieder die Brille mit den Halbmondgläsern. Für mich sieht er aus wie die Karikatur eines Modearztes. Stünde nicht so viel auf dem Spiel, würde ich lachen.
    »Nur habe ich von Seiten des Personals gehört, dass Sie über Kopfschmerzen und Schwindelgefühl klagen.«
    »Nicht der Rede wert. Das wird an meinem Unbehagen liegen. Jetzt möchte ich nach Hause gehen.« Ich verbeiße mir das »bitte«, das mir beinah herausgerutscht wäre. Ich werde nicht betteln, denn ich gehöre nicht hierher. Frei zu sein, ist mein gutes Recht.
    »Natürlich möchten Sie das, Alice.« Er ist herablassend, benutzt meinen Vornamen, ohne mich um Erlaubnis gebeten zu haben. Für ihn bin ich wie ein Kind, das um Süßigkeiten bettelt. Er hat es noch nicht ausgesprochen, da höre ich schon, wie er sich weigert. »Obwohl es Ihnen im Moment gut zu gehen scheint, denke ich, es wäre klüger, Sie noch für eine Weile hierzubehalten. Bloß um sicherzugehen.«
    »Aber …«
    »Es ist nur zu Ihrem Besten, Alice, denn am Dienstag waren Sie ziemlich außer sich. Wir schauen uns einfach an, welche Fortschritte Sie hier machen. Die Wirkung des Beruhigungsmittels, das Sie gestern bekommen haben, hat nachgelassen. Daher werde ich Ihnen etwas Stabilisierendes verschreiben – und Tabletten gegen die Kopfschmerzen.«
    Er spricht nicht mit mir,

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