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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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für sich selbst bedeutet?«
    »Tja, heute macht sie einen ruhigen Eindruck«, sagte Dr.   Gregg. »Aber am Dienstag war sie alles andere als stabil. Sie war völlig außer sich, das sagte ich Ihnen ja schon am Telefon. Diese Wut kann auf alles Mögliche projiziert werden, auch auf Alice selbst. Haben Sie schon mal von Brian Blackwell gehört?«
    »Der Name kommt mir bekannt vor. Hat er nicht seine Eltern umgebracht und ist am nächsten Tag mit seiner Freundin in den Urlaub gefahren?«
    »Richtig. Man hat vermutet, dass er von seiner Mutter missbraucht wurde. Der Junge war siebzehn Jahre alt, und sie hat ihn immer noch gebadet. Er hat sie ermordet und ihre Leiche im Bad deponiert … aber ich schweife ab. Ich erwähne ihn nur, weil die Anklage damals aufgrund mildernder Umstände von Mord auf Totschlag abgeändert wurde. Blackwell litt an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Trotzdem macht der Fall deutlich, wie fatal sich diese Störung entwickeln kann. Deshalb wollte ich bei Alice kein Risiko eingehen. Sie hatte einen Tobsuchtsanfall, und mir schien, dass sie sich durchaus etwas antun könnte.«
    »Was ist jetzt? Gestern wirkte sie auf mich so klar wie sonst auch. Muss sie wirklich noch in der Klinik bleiben?«
    »Nach Aussage des Personals ist sie weiterhin aufgebracht, und ihre Arroganz ist auch schon ein paar Mitarbeitern aufgefallen. Die Beschäftigungstherapeutin hat berichtet, dass Alice zwar an einigen teambildenden Übungen teilgenommen hat, dabei jedoch sehr von oben herab agiert und sich teilweise geweigert hat mitzumachen. Alice bittet natürlich darum, entlassen zu werden, aber bei ihrer Einweisung war sie in einer äußerst labilen Verfassung. Warten Sie, ich hole mal schnell die Unterlagen.« Dr.   Gregg trat an einen grauen Aktenschrank und suchte die Akte heraus. Cate sah, dass der Aktendeckel abgegriffen und eingerissen war. Er vertiefte sich in seine Notizen. »Das Gespräch, das ich am Dienstag mit ihr geführt habe, lief schon nach kürzester Zeit aus dem Ruder. Als Erstes habe ich sie gefragt, ob ihre Mutter eine normale Schwangerschaft und Entbindung hatte. Das ist eine reine Routinefrage.«
    »Wie hat sie reagiert?«
    »Sie war völlig perplex und erklärte mir schließlich, dass sie als Kind adoptiert worden sei und daher über die Umstände ihrer Geburt nicht viel sagen könne.«
    »Das leuchtet ein.«
    »Ich bin dann gleich zum nächsten Teil übergegangen. Auch der gehört bei einer psychiatrischen Einschätzung zur Standardbefragung. Darin geht es um frühe Erfahrungen, mit der Schule angefangen.«
    »Und?« Cate beugte sich vor.
    »Alice sagte, sie sei eine gute Schülerin gewesen, aber nie sonderlich beliebt. Sie habe sich immer anders als ihre Mitschülerinnen gefühlt.«
    »Wie anders?«
    »Das wollte ich von ihr auch wissen. Daraufhin antwortete sie, die anderen hätten sie aufgrund ihrer außergewöhnlichen Schönheit und ihrer Intelligenz abgelehnt. Womit wir wieder bei der Arroganz wären, die ich zu Anfang diagnostiziert habe. Anscheinend hatte sie nur eine einzige Freundin, ein Mädchen, das ihr angeblich in vielerlei Hinsicht unterlegen war. Wenig später war sie erregt und wurde weinerlich.«
    »Das ist doch nicht weiter ungewöhnlich.« Cate dachte an die vielen Menschen, die sie in ihrem Beruf schon in Tränen aufgelöst gesehen hatte, und an die Schachtel Papiertaschentücher, die jeder Bewährungshelfer auf seinem Schreibtisch stehen hatte.
    »Das nicht, aber ich habe auch die Unterlagen ihres Hausarztes eingesehen, der sie als Teenager behandelt hat. Ihre Mutter machte sich damals Sorgen über die ungesunde Beziehung, die Alice zu dieser Freundin hatte. Es war eine sehr enge Beziehung, vermutlich sexueller Natur. Seinerzeit wurde Alice an einen Psychiater überwiesen. Als ich sie danach fragte und auf einer Antwort bestand, wurde sie destruktiv, warf mit Gegenständen um sich und versuchte meine Unterlagen an sich zu reißen. Dabei schrie sie immer wieder: ›Ich gehe nicht ins Gefängnis!‹« Daher also der mit Tesafilm geklebte Riss im Aktendeckel, dachte Cate. »Sie war in Rage, warf mit allem nach mir, was in Reichweite war, darunter auch eine Vase.«
    Aha, dachte Cate. Alice hatte offenbar Angst, ins Gefängnis zu kommen. Sie erinnerte sich an die Glasscherben auf dem Fußboden in der Wohnung. An die vertrockneten Löwenmäulchen. Es waren dieselben Blumen wie bei ihrem ersten Besuch, nur die Vase war ausgetauscht worden. Statt der feinen blauen war es

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