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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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»Erheben Sie sich.«
    Die Reporter stehen schon, ihnen sind die Formalitäten vertraut. Das ältere Paar beugt sich über das Geländer. Die attraktive Frau in dem cremefarbenen Kostüm nickt ihnen zu und lächelt zuversichtlich. Der Mann nickt ihr ebenfalls einen Gruß zu, seine Frau wendet sich ab. Demzufolge sind sie nicht aus reiner Neugier erschienen, sondern kennen die Blondine. Die Frau ist keine Anwältin, wie Krishna einen Moment später erfasst, sondern vielmehr die Angeklagte. Sie ist Alice Mariani. Oder Robin.
    Ein Mann in einer Safarijacke lässt sich auf den Platz neben Krishna fallen, lehnt sich zurück und atmet geräuschvoll aus. Dann nimmt er seine beschlagene Brille ab und poliert die Gläser an seiner Jacke. Er lehnt sich zu Krishna herüber, der sich zwingen muss, nicht zurückzuweichen. Der Mann hat gerötete Wangen und ist außer Atem. »Hat es schon angefangen?«
    »Noch nicht.« Krishna schaut stur geradeaus.
    Aus dem Augenwinkel sieht er, dass sein Nachbar den Reißverschluss seiner Jacke mit Wurstfingern aufzieht und in der Innentasche wühlt. Er holt einen Packen DIN-A 5-große Flugblätter hervor, legt eins auf Krishnas Schoß und verteilt die anderen an die Reporter. Dann greift er an Krishna vorbei, der sich zurücklehnt, und reicht ein Flugblatt an das ältere Paar weiter. Die Frau betrachtet es wie einen Fremdkörper, doch der Mann greift danach und beginnt zu lesen.
    Da langt eine kräftige Hand von hinten über Krishnas Schulter. Es ist die Person aus der Ecke mit dem militärisch kurzen Haarschnitt. »Könnte ich bitte eins haben?«, fragt sie.
    Sein Nachbar strahlt und erfüllt ihren Wunsch.
    Erneut ertönt der Summton. Der Mann mit den Flugblättern erstarrt, ehe er den Rest wieder in seinem Mantel verstaut. Im Gerichtssaal haben zwei Männer kurze weiße Perücken aufgesetzt. Eine Frau, offenbar die Gerichtsschreiberin, sitzt unter der Richterbank an einem langen Holztisch. An der Wand dahinter befindet sich ein Wappen mit lateinischer Inschrift. Krishna erinnert sich an den Lateinunterricht in der Schule. »Die eine wie die andere Seite«, übersetzt er für sich, ein Versprechen, jeder Partei gleichermaßen Gehör zu schenken. Ein hohes Ziel.
    Hinter der Richterbank öffnet sich eine Tür in der holzvertäfelten Wand. Der Richter kommt herein, wie ein Schauspieler in einem Theaterstück. Er trägt eine lange weiße Perücke und eine rote Robe. Sein Blick schweift über die Menschen zu seinen Füßen und schließlich hinauf zur Zuschauergalerie. Dann nimmt er gemächlich Platz, rückt sich zurecht und sagt: »Setzen Sie sich.«
    Eine Frau bleibt stehen, eine schlicht aussehende Person mit mausbraunem Haar und Mittelscheitel. Sie wendet sich an den Richter. »Wir verhandeln heute den Fall Alice Mariani, Euer Ehren. Sie hat sich der Sterbehilfe schuldig erklärt. Möchten Sie, dass der Staatsanwalt den Fall noch einmal rekapituliert?«
    Der Staatanwalt springt auf und richtet seine Perücke. »Euer Ehren, in der Vorverhandlung hat Alice Mariani sich schuldig bekannt, David Jenkins am sechzehnten Juni des vergangenen Jahres Sterbehilfe geleistet zu haben. David Jenkins erlitt einen Herzstillstand. Der Grund war eine Überdosis Gamma-Hydroxybuttersäure, auch unter dem Straßennamen GHB bekannt. Mariani wartete, bis Jenkins tot war, ehe sie die Polizei verständigte. Als die Beamten erschienen, überreichte sie ihnen den Abschiedsbrief des Toten.«
    Krishna spürt die ersten Kopfschmerzen, die sich vom Hinterkopf aus bis in die Stirn ausbreiten. Er schaut auf das Flugblatt auf seinem Schoß und überfliegt die Zeilen.
    »Die Hemlock-Gesellschaft kämpft für das Recht zu sterben.
    Sie ist eine Organisation, die an das Recht eines jeden Menschen glaubt, den Zeitpunkt seines Todes selbst zu bestimmen, und dies als das grundsätzlichste aller Rechte betrachtet. Wir stehen auf der Seite von Alice Mariani, die ihrem Freund Sterbehilfe geleistet hat, und wehren uns gegen die Anklage.
    Moralisch ist Alice Mariani unschuldig.
    Es gibt Länder, in denen die Sterbehilfe zulässig ist. Selbst in den Ländern, in denen sie als illegal gilt, wird sie selten gerichtlich verfolgt. Wir glauben, dass an Alice Mariani ein Exempel statuiert werden soll, obwohl ihr Verbrechen lediglich darin bestand, dem Wunsch ihres Freundes zu entsprechen, der da lautete, keinen Rettungsdienst zu rufen, nachdem er die tödliche Dosis genommen hatte.
    Wenn Sie unsere Kampagne gegen die Verurteilung von Alice Mariani

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