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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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sagen, denn der Geruch des Blutes steckte in meinem Rachen, und auf meiner Brust lastete ein Druck, als müsse ich gleich weinen, und ich weine nicht, wenn jemand bei mir ist.
    »Du weißt, dass wir immer versucht haben, unser Bestes für dich zu tun. Wir wollten nur, dass du glücklich bist … nach allem, was du als kleines Mädchen durchgemacht hattest.«
    »Das weiß ich, Mum, bitte beruhige dich.« Ich hasse es, wenn sie sich aufregt.
    Sie wirkte so zerbrechlich, als sie dasaß und gegen die Tränen ankämpfte. Wann war sie so alt geworden? Natürlich war sie schon früher alt gewesen, das begriff ich spätestens, als ich in die Grundschule ging und sie die einzige Mutter mit grauen Haaren war. Wenn andere Kinder mich fragten, ob sie meine Großmutter sei, sagte ich ja. Es war einfacher, als ihnen die Wahrheit zu erklären.
    Meine Eltern hatten Glück, denn soviel ich weiß, gestattet man älteren Ehepaaren heutzutage nicht mehr so ohne Weiteres, ein Kind zu adoptieren. Als sie mich annahm, war meine Mutter Ende vierzig. Das ist älter, als ich es heute bin, und mir fehlte jetzt schon die Kraft, mich mit einem kleinen Kind abzugeben. Andererseits gibt es nur wenige Menschen, die sich eine Vierjährige wünschen, denn so jemand ist schließlich kein Baby mehr. Ein Kleinkind hat bereits eine Persönlichkeit. Das ist kein unbeschriebenes Blatt, dem man einen Stempel aufdrücken kann, und ich war bereits von einem Tod geprägt worden.
    Ich wusste von Anfang an, dass die beiden nicht meine leiblichen Eltern waren. Die Sozialarbeiterin hatte ihnen erklärt, es sei besser, mir nichts vorzumachen, dann bekäme ich später keinen Schock. So würde ich nicht plötzlich die Wahrheit erfahren, wenn ich jemals eine Bluttransfusion brauchte und sich dabei herausstellte, dass keiner von ihnen die passende Blutgruppe hatte. Solche Dramen blieben uns erspart. Ich wusste also, dass ich adoptiert worden war, und war damit im Reinen. Letztlich war es für mich nicht wichtig. Ich war erwünscht gewesen, und darauf kam es an. Oder etwa nicht?
    Manchmal wünschte ich, ich wäre meinen Eltern ähnlicher und wir stünden uns näher. Doch dafür streiten wir uns nie, und wie viele Familien können das schon von sich behaupten? Zudem war mir von jeher bewusst, dass ich einen Weg anstrebte, den sie nie gegangen waren. »Immerzu steckt sie die Nase in ein Buch«, verkündete meine Mutter jedem, der es hören wollte. »Ich bin sicher, dass sie eines Tages studiert.«
    Sie war so stolz auf mich. Nur hatte sie nie gedacht, dass ich zum Studium ausziehen und nie mehr nach Hause zurückkehren würde. Sie hatte nicht erkannt, dass Bücher mein Leben geworden waren, denn eine solche Existenz überstieg ihren Horizont. Trotzdem kommen wir miteinander aus, und das ist mehr, als etliche Mütter und Töchter von sich sagen können.
    »Was haben Sie ihr erzählt?«, möchte Cate wissen und trägt etwas in ihr Notizheft ein.
    Am liebsten gäbe ich ihrem Arm einen Schubs, in der Hoffnung, dass die Schrift verschmiert.
    »Wie gesagt wusste meine Mutter bereits, dass Smith gestorben war. Schließlich hatte ich meinen Eltern erzählt, dass er an einer tödlichen Krankheit leide.« Ich hatte gehofft, das würde genügen und mehr müsse ich nicht erklären. Doch dann fragte meine Mutter etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich hätte mich für meine Kurzsichtigkeit ohrfeigen können, denn die Sache hatte ich mir bei dem Treffen im White Swan selbst eingebrockt.
    »Alice«, sagte sie, »in den Abendnachrichten hieß es, dass der Name des Mannes, der … verstorben ist, David lautete. Nicht Richard. Dein Dad und ich sind deshalb ein wenig verwirrt.«
    Ich dachte hastig nach. »Er wurde zwar David getauft, aber der Name Richard ist ihm lieber. War ihm lieber.«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Was für eine traurige Geschichte. Ein so junger Mensch. Er sah krank aus, ich hoffe, das hast du der Polizei gesagt. Du hast ihnen gegenüber doch erwähnt, dass er Krebs hatte, oder?«
    Was hätte ich denn darauf antworten sollen, außer ja?
    »Ich habe noch eine Frage, Alice.«
    Cate wirkt unsicher und hat einen hochroten Kopf bekommen. Sie wirft einen Blick auf ihre Notizen. Ich erkenne, dass dort eine Frage steht, die sie sich schon vorher notiert hat. Es muss also etwas Wichtiges sein.
    »Haben Sie jemals auch nur ansatzweise gewusst, weshalb David Jenkins sterben wollte? Das mit der tödlichen Krankheit war ja nur ein Täuschungsmanöver für ihre Eltern.

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