Stirb mit mir: Roman (German Edition)
und begann, sie in die Luft zu werfen. »Warum zickst du überhaupt so rum? Ich weiß nicht mal, weshalb ich Amelia eine Stunde vor der üblichen Zeit nach Hause bringen musste.«
Cate wandte sich ab, ließ heißes Wasser ins Becken laufen und spritzte etwas Spülmittel hinein. »Ich möchte, dass Amelia genug Schlaf bekommt, wenn sie in die Vorschule geht.«
»Du bist unfair.«
»Wie war das?« Cate fuhr herum. Wasser tropfte von ihren Armen auf den Fußboden.
Tim hob beschwichtigend die Hände. »Reg dich ab. Ich sage lediglich, dass du mir die Teilnahme an Amelias Leben nicht leicht machst.«
»Wie kannst du es wagen?«, zischte Cate und trat auf ihn zu. »Ich wollte nie eine alleinerziehende Mutter sein, aber du hast mich verlassen, und nun ist es eben so. Los, zieh deinen Mantel an und dann nichts wie ab in das wunderbare Heim, das du dir mit der Frau geschaffen hast, die du schon gevögelt hast, als wir beide noch zusammengelebt haben. Hau einfach ab.«
Um sich von ihrem inneren Aufruhr abzulenken, setzte Cate sich an ihren Computer, rief das Tagebuch von David Jenkins auf und legte sich ihren Notizblock zurecht. Vielleicht gab das Tagebuch ihr ja die Antworten, die Alice ihr vorenthielt, vielleicht half es ihr, Davids Todeswunsch zu verstehen und das richtige Gutachten zu schreiben. Wenn ihr Privatleben schon eine Katastrophe war, wollte sie wenigstens beruflich nicht versagen.
11. Januar
(Obwohl mir Datum und Jahr eigentlich egal sein könnten. Es ist einfach mein letzter Januar, mein letztes Jahr. Zahlen sind jetzt nebensächlich.)
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin froh, dass ich sterben werde. Nein, das ist falsch formuliert. Ich bin froh, dass ich die Stunde meines Todes selbst bestimmen werde. So, jetzt ist es richtig. Schließlich handelt es sich dabei um ein Privileg, oder nicht? Ich habe über einen Mann gelesen, der sich in die Schweiz bringen ließ, nur um zu sterben. Jetzt verhört die Polizei seine Frau, obwohl der arme Kerl bloß noch vor sich hin vegetiert hat. Ohne Hilfe konnte er weder essen noch sich den Hintern abwischen. Er musste einen Kolostomiebeutel tragen. Was soll denn das für ein Leben sein? Zum Sterben musste er in ein anderes Land reisen, obwohl wir angeblich in einem freien Land leben. Bei dem Gedanken ist mir Robin eingefallen. Ich möchte sie nicht in eine unangenehme Lage bringen, was die Polizei betrifft, meine ich. Das, was wir vorhaben, ist illegal, auch wenn das keine Rolle spielt. Einen Toten kann man nicht mehr verhaften. Wer Sterbehilfe geleistet hat, kann dagegen Schwierigkeiten bekommen, aber damit muss sie fertig werden. Für mich ist es dann zu spät.
Meine Annonce war gar nicht so ungewöhnlich. Ich war mit meiner Suche nicht mal der Einzige. Sobald du ein paar Nachforschungen anstellst, wirst du es selbst erkennen. In Japan beispielsweise ist die Regierung über den Anstieg der Sterbehilfe im Internet besorgt. Im vergangenen Jahr haben sich einundneunzig Menschen das Leben genommen, die zuvor im Internet mit einem anderen einen Selbstmordpakt geschlossen hatten. Wie es aussieht, wird sich die Zahl in diesem Jahr verdoppeln. Oder denk an die Fälle aus Wales vor einigen Jahren. Dort wollten Kinder sterben, die alles hatten, wofür es sich zu leben lohnt. Ich habe über eine Frau gelesen, die jemanden bezahlt hat, um sie zu töten. Sie wollte sterben, wusste jedoch nicht, ob sie es allein schafft. Deshalb gab sie jemandem Geld dafür, dass er sie zu einem ihr unbekannten Zeitpunkt erschoss. So wollte sie sterben. Dummerweise hat der Mann sie gelinkt und ist einfach mit dem Geld verschwunden. Daraufhin hat sie ihn angezeigt. Er wurde geschnappt und wegen Vertragsbruchs verurteilt. Das muss man sich erst mal geben, oder?
Robin und ich wirken vielleicht sonderbar, aber augenscheinlich sind wir nicht die Einzigen. Wir möchten, dass man uns versteht, denn das haben wir verdient.
Etwas verbindet uns alle, ich meine jetzt die Menschen, die Sterbehilfe bekommen. Die meisten von uns sind ›nicht gesund‹, auch wenn diese Formulierung so gut wie gar nichts besagt. Was soll das schon bedeuten? Dass einer zu Husten und Erkältungen neigt, Pickel hat oder zu dick ist? Schließt es Geisteskrankheiten ein? Trotzdem passt es zu mir, ganz gleich, wie man es ausdrückt. Ich bin nicht gesund. Ich gehöre einem Klub an, für den ich mich nie beworben habe, bin Mitglied, ohne Gebühren zu zahlen.
Heute im Supermarkt bin ich durcheinandergeraten. Mit einem Mal
Weitere Kostenlose Bücher