Stirb, Schätzchen, Stirb
Wenn Sie Ihren Bericht geschrieben haben, erzähle ich Ihnen alles Weitere, was vielleicht für Sie von Interesse ist. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie die Sache persönlich übernehmen würden.«
»Dann werde ich das tun.«
Sie nickte Morris zu und winkte Peabody zu sich heran. »Es wird bestimmt nicht angenehm«, erklärte sie auf dem Weg den Flur hinab. »Wollen Sie die beiden trennen?« »Nein. Zumindest nicht sofort. Lassen Sie uns erst mal sehen, wie es läuft.«
Sie atmete tief durch und klopfte an Bobbys und Zanas Tür.
7
Seltsam, dachte Eve, wie wenig sie sich an ihn erinnerte. Schließlich hatten sie über Monate in einem Haus gelebt, und er war das erste etwa gleichaltrige Kind gewesen, dem sie je begegnet war.
Aber sie hatte in der Zeit vieles zum ersten Mal erlebt. Sie hatte zum ersten Mal in einem echten Haus gewohnt, war zum ersten Mal länger als ein paar Tage am selben Ort geblieben und hatte zum ersten Mal ein eigenes Bett gehabt. War zum ersten Mal nicht vergewaltigt und misshandelt worden.
Trotzdem konnte sie sich nur noch vage an den Jungen mit den kurz geschnittenen, hellblonden Haaren und dem breiten, pausbäckigen Gesicht erinnern, der er damals gewesen war.
Er war schüchtern gewesen und sie selber außer sich vor Angst. Weshalb es wahrscheinlich nicht weiter überraschend war, dass keine echte Freundschaft zwischen ihnen entstanden war.
Jetzt standen sie hier in einem nüchternen Hotelzimmer, in dem der faulige Geruch von Tod und Trauer hing.
»Es tut mir leid, Bobby. Was passiert ist, tut mir wirklich leid.«
»Ich weiß nicht, was passiert ist.« Er saß neben Zana auf dem Bett, klammerte sich wie ein kleines Kind an ihre Hand und bedachte Eve mit einem unglücklichen Blick. »Niemand sagt uns, was geschehen ist. Meine Mutter ... meine Mutter ...«
»Weißt du, warum sie nach New York gekommen ist?«
«
»Natürlich.« Als Zana leise wimmerte, löste Bobby seinen Griff um ihre Hand und nahm sie in den Arm. »Sie wollte dich wiedersehen. Und wir hatten schon lange keinen Urlaub mehr gemacht. Sie war unglaublich aufgeregt, weil sie noch nie in New York war. Weil sie dich sehen würde und weil sie shoppen gehen wollte, weil schließlich bald Weihnachten ist. Oh Gott.« Er ließ den Kopf erst auf Zanas Schulter und dann zwischen seine Hände sinken und stieß heiser aus: »Wie konnte das passieren? Wer hat ihr das angetan?«
»Gab es vielleicht irgendwen, mit dem sie Ärger hatte? Hat vielleicht irgendjemand sie bedroht?«
»Nein. Nein. Nein.«
»Nun ...« Zana biss sich auf die Lippe, kniff dann aber den Mund zusammen und schüttelte den Kopf.
»Ist Ihnen jemand eingefallen?«, fragte Eve.
»Ich, nun, sie hat ständig Streit mit Mrs Dillman, die ihr gegenüber wohnt.« Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen fort. »Mrs Dillmans Enkel kommt öfter zu Besuch, dann spielt er die ganze Zeit draußen im Garten mit seinem kleinen Hund. Mama Tru und Mrs Dillman haben sich öfter deshalb gezankt. Mrs Dillman hat gesagt, dass sie Mama Tru am liebsten eine knallen würde, weil sie eine dumme Pute ist.«
»Zana.« Bobby rieb sich die Augen. »Das hat Eve nicht gemeint.«
»Nein, wahrscheinlich nicht. Es tut mir leid. Es tut mir furchtbar leid. Ich versuche lediglich zu helfen.«
»Was haben Sie hier in New York gemacht?« Eve sah Zana fragend an.
Zana wandte sich an Bobby, da sie offensichtlich davon ausging, dass er das Sprechen übernahm. Als er jedoch einfach weiter vor sich auf den Boden starrte, fuhr sie selber fort. »Tja, nun, wir sind am Mittwoch angekommen, haben eingecheckt, sind ein bisschen herumgelaufen, haben ein paar Kleinigkeiten eingekauft und uns die Show in der Radio City angesehen. Die Eintrittskarten hatte Bobby einem Mann draußen auf der Straße abgekauft. Sie waren furchtbar teuer.«
Das waren Schwarzmarkt-Tickets immer, dachte Eve.
»Aber es war wirklich toll. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Mama Tru hat sich beschwert, weil sie die Plätze nicht besonders fand, aber ich fand sie vollkommen okay. Danach haben wir in einem italienischen Lokal gegessen. Es war furchtbar lecker. Dann sind wir ziemlich früh hierher zurückgekommen, denn mit der Reise war es ein ziemlich langer Tag.«
Sie strich Bobby über den Rücken, und ihr goldener Ehering blitzte im trüben Licht der Deckenlampe auf. »Am nächsten Morgen haben wir in einem Café gefrühstückt, und Mama Tru meinte, sie wollte Sie besuchen, wollte aber erst einmal alleine gehen. Also
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