worauf sie sich einer langen Liste von Krankheiten und Pflanzen gegenübersahen.
Akne, las Grace. Karotte, lösliche Vitamine, Keimöl, Borretsch-Öl, Klette. Dann folgte etwas, das zu seinem augenblicklichen Zustand passte: Erschöpfung, Ginseng, Taigawurzel, Vitamine und Mineralien, Sojalezithin.
»Vielleicht ein Gesundheitsfreak«, meinte Glenn Branson, doch Nicholas hatte im Augenblick keinen Sinn für Scherze.
»Versuchen Sie es mal mit dem Ausgangsordner«, sagte Grace.
Nicholas klickte darauf. Ebenfalls nur eine Mail mit Anhang – dieselbe wie zuvor.
»Können Sie sehen, an wen sie gegangen ist?«
»Seltsam, da steht gar kein Empfänger.«
Er klickte zweimal, und kurz darauf erkannten sie den Grund. Es gab Hunderte von Empfängern, die alle die gleiche Mail erhalten hatten. Und die Adressen bestanden lediglich aus Zahlenfolgen in Kombination mit dem Wort »tisana«.
Grace las die erste.
[email protected] Dann:
[email protected] »Der Anfang könnte der Empfänger sein – natürlich verschlüsselt«, meinte Nick Nicholas. ›»Tisana‹ ist vermutlich der Provider.«
»Und warum tauchte er bei unserer Google-Suche nicht auf?«
»Vermutlich, weil jemand genau das verhindern will.«
»Kann man Dinge vor Suchmaschinen wie Google verbergen?«
»Bestimmt. Ich glaube, wenn man es darauf anlegt, kann man so ziemlich alles verbergen.«
Grace nickte. »Sehen wir uns mal den Anhang an.«
Er schaute auf den Monitor, während Nicholas den Cursor auf den Anhang schob und zweimal darauf klickte.
Schon bald bereute er die Entscheidung. Schweigend und fassungslos sahen sich die drei Männer an, was in den folgenden vier Minuten auf dem Bildschirm ablief.
71
UM HALB SIEBEN RIEF ROY GRACE den Pressesprecher Dennis Ponds zu Hause an, entschuldigte sich nachdrücklich und bat ihn, sich um Viertel nach acht mit ihm im Büro zu treffen.
Grace hatte zwei Stunden lang unruhig auf den beiden Sesseln im Verhörzimmer geschlafen und war um kurz nach sechs in die Soko-Zentrale zurückgekehrt. Branson hatte sich klugerweise für das Sofa im Büro des Chief Superintendent entschieden. Nicholas war für einige Stunden nach Hause gefahren, da er seine hochschwangere Frau nicht allzu lange allein lassen wollte.
Um zwanzig nach sieben wartete Grace als erster Kunde vor dem Supermarkt gegenüber, wo er sich mit einem Päckchen Einwegrasierer, Rasierschaum, einem weißen Hemd, zwei Croissants, sechs Dosen Red Bull und zwei Schachteln Koffeintabletten eindeckte.
Um acht rief er Cleo an, erreichte aber nur ihren Anrufbeantworter. »Hi, hier ist Roy. Tut mir Leid, dass ich mitten in der Nacht weg musste. Du bist phantastisch! Ruf mich an, wenn du Zeit hast. Riesenkuss.«
Als Dennis Ponds um Punkt acht Uhr fünfzehn das unscheinbare Büro betrat, war Grace bester Laune. Er hatte sich gewaschen, rasiert und umgezogen, zwei Dosen Red Bull und vier Koffeintabletten eingeworfen. Das einzige Problem war sein schmerzender Rücken. Er hatte sich in der Männertoilette vor den Spiegel gestellt und fassungslos die langen roten Kratzer betrachtet, die höllisch brannten. Er musste dennoch grinsen. Das war es wert gewesen, sein ganzer Körper schien nach ihr zu brennen. Mein Gott, Cleo war im Bett der helle Wahnsinn.
»Morgen, Roy«, sagte Ponds. Er wirkte mehr denn je wie der Prototyp eines Yuppie, das Haar mit Gel nach hinten frisiert, Nadelstreifenanzug, rosa Hemd mit Kentkragen und eine blaue Krawatte, die nach Schlangenleder aussah.
Grace schüttelte ihm die Hand, bevor sie sich setzten. »Nochmals Entschuldigung für den frühen Anruf.«
»Kein Problem, bin sowieso Frühaufsteher. Hab zwei kleine Kinder und drei Hunde. Und?«
»Ich möchte Sie bei der Besprechung um halb neun dabeihaben – Sie sollen sich Videomaterial anschauen.«
Ponds wirkte ein wenig skeptisch. »Na ja, gut, ich hab allerdings viel zu tun heute Morgen, muss die PK in Sachen Janie Stretton organisieren …«
»Genau darum geht es ja, Dennis. Und noch um etwas anderes. Vielleicht wissen Sie es noch nicht, aber mein Team hat letzte Nacht in Kemp Town ein Fahrzeug verfolgt, das daraufhin mit einem Taxi zusammenstieß.«
Ponds’ Kiefer klappte herunter. »Das wusste ich in der Tat noch nicht.«
»Eine meiner besten Beamtinnen liegt auf der Intensivstation, weil sie versucht hat, den Wagen aufzuhalten. Ich habe eben mit dem Krankenhaus telefoniert, sie hat die fünfstündige OP überstanden, aber es sieht nicht gut aus. Emma-Jane hat ihr