Stirb schön
Scheinwerfer folgten ihm.
Tom bremste, schaltete den Motor ab, starrte reglos nach vorn, vor Angst wie gelähmt, aber fest entschlossen, die Sache durchzustehen.
Die Scheinwerfer im Rückspiegel erloschen. Dunkelheit. Stille. Der Motor klingelte noch. Er meinte, Schatten zu sehen. Hinter ihm tauchten winzige Lichtpunkte auf. Wurden größer. Ein Laster donnerte vorbei, ließ seinen Wagen erzittern, die roten Rücklichter verschwanden in der Ferne.
Plötzlich schwangen die hinteren Türen des Espace gleichzeitig auf. Eine Hand umklammerte wie ein Schraubstock seine Kehle.
Jemand drückte ihm etwas auf Mund und Nase, einen feuchten Lappen, der säuerlich scharf roch. Tom spürte einen messerscharfen Schmerz im Kopf.
Er sah noch ein verlöschendes Lichtpünktchen, dann wurde alles schwarz.
69
ALS NÄCHSTER WURDE JON RYE frühmorgens aus dem Schlaf gerissen. Er verfluchte sich, weil er das verdammte Ding nicht ausgeschaltet hatte.
Seine Frau rührte sich neben ihm, sagte aber nichts, als er die Nachttischlampe einschaltete. Er schaute aufs Display. Privat ruft an. Vermutlich dienstlich.
Roy Grace. Rye warf einen Blick auf seine Frau, bat um ein wenig Geduld, zog einen Bademantel über und eilte nach unten in die Küche.
»Verzeihung, Sir.«
»Tut mir Leid, dass ich Sie störe«, sagte der Detective Superintendent, »aber ich habe eine dringende Frage. Sie haben doch gestern Abend einen Vorfall als Internetklau ins System eingegeben.«
Scheiße, dachte Jon Rye resigniert. Das war doch nur ein Witz. Und dafür riss man ihn nun mitten in der Nacht aus dem Schlaf.
»Sie haben Kennzeichen und Beschreibung eines weißen Ford Transit registriert. Dieser Wagen ist gestern Nacht an einem Tatort gesehen worden und wurde heute Nacht bei einer polizeilichen Verfolgung in einen Unfall verwickelt.«
»Verstehe.«
»Ich habe noch nie etwas von Internetklau gehört. Was genau haben Sie damit gemeint?«
Rye erklärte es.
»Gut, wenn ich Sie also richtig verstehe, kann jemand, der über eine kabellose Internetverbindung verfügt, in jedes beliebige System eindringen, das nicht durch Passwort geschützt ist?«
»Das ist in der Tat richtig, Sir. Der LAN-Router, ein kleines Gerät, das um die fünfzig Pfund kostet, sendet ein Signal. Wer sich in Reichweite befindet, kann darüber ins Internet gelangen, falls er nicht durch ein Passwort daran gehindert wird.«
»Also beschafft man sich auf diese Weise eine kostenlose High-Speed-Verbindung?«, fragte Grace.
»Genau, Sir.«
»Und warum?«
»Vielleicht aus purer Bequemlichkeit, wenn man gerade unterwegs ist und Mails abholen oder versenden möchte. Hab ich auch schon gemacht.« Rye war jetzt hellwach und machte sich daran, Tee zu kochen.
»Sie haben es selbst schon gemacht?«
»Ich saß mal als Beifahrer im Auto. Wir hielten vor einer roten Ampel, ich hatte den Laptop aufgeklappt und merkte plötzlich, dass ich online war. Mein Rechner hatte das Signal eines LAN-Routers aufgefangen. So kann man binnen weniger Sekunden eine Menge E-Mails abholen und Dateien runterladen.«
Grace musste diese Informationen erst einmal verdauen. »Also beschwerte sich dieser Mr Seiler, der die Anzeige erstattet hat, über einen Mann im weißen Lieferwagen, der seine LAN-Verbindung benutzt hat.«
»So hörte es sich für mich an, Sir.«
»Aber warum war er dann so wütend?«
»Nun ja, wenn er selbst Mails, vor allem umfangreiche Mails, abholen oder senden wollte, hätte dies seine Verbindung beträchtlich verlangsamt.« Rye suchte nach einem passenden Vergleich. »Angenommen, Sie drehen bei sich zu Hause alle Wasserhähne auf. Dann fließt das Wasser langsamer, als wenn nur einer aufgedreht wäre. Kein toller Vergleich, aber Sie sehen die Richtung.«
»Also hatte der Mann im Lieferwagen gemerkt, dass dies eine gute Stelle war, um ins Netz zu gelangen.«
»Ich denke schon, so drückt man sich um die Kosten herum.«
Der Detective Superintendent überlegte. »Aber das ist heutzutage doch gar nicht mehr so teuer. Könnte es noch einen anderen Grund geben?«
Der Wasserkessel zischte und kochte. Draußen war es noch stockfinster. An der Kühlschranktür hing eine Buntstiftzeichnung, die einen dürren Mann mit Kappe zeigte, der in einem eckigen Auto mit vier ungleichen Rädern saß. Darunter prangte das Wort DADDY. Seine Tochter Becky hatte es gezeichnet, als er noch bei der Verkehrspolizei war. Komisch, was einem so auffiel, wenn man müde war, er hatte sich das Bild seit mindestens zehn
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