Stirb schön
Truppe. Wenn es einen Menschen gab, der diesem Laptop seine Geheimnisse entlocken konnte, dann er.
Rye holte die geklonte Festplatte aus dem PC und ging zu Gidney hinüber. Dieser arbeitete noch an einem Passwortcode, der zu einem Onlinebanking-Betrug gehörte. »Andy, du musst alles stehen und liegen lassen und mir hierbei helfen. Zwei Menschenleben stehen auf dem Spiel.«
»Hm. Hab aber zu tun.«
»Das ist mir egal.«
»Wenn ich aufhöre, verliere ich die ganze Sequenz. Guck mal!« Er schwang mit dem Stuhl herum, seine Augen leuchteten erregt. »Mir fehlt nur noch eine Ziffer!«
»Wie lange brauchst du noch?«
»Hm, ja, hm.« Er schloss die Augen und nickte heftig. »Hm. Hm.« Dann sah er zu Boden. »Höchstens bis Ende der Woche, hoffe ich.«
»Tut mir Leid, das muss warten. Ich brauche dich sofort.«
»Hm, Jon, also, wir sind doch zu neunt hier, oder?«
»Und?«, fragte Rye vorsichtig.
»Warum ich?«
Schmeichelei konnte nicht schaden. »Weil du der Beste bist, okay?«
Unwillig drehte sich Gidney mit dem Stuhl weg und wandte ihm den Rücken zu. »Na gut, gib her.«
»Du findest die relevanten Dateien auf dem Server unter der Jobnummer 340.«
»Und wonach genau soll ich suchen?«
Rye gefiel es nicht, dass er mit Gidneys Rücken sprechen musste, wusste aber aus Erfahrung, dass der Mann nicht mehr zu ändern war; wollte man Höchstleistungen, ließ man ihm am besten seinen Willen. »Postanschriften, Telefonnummern, E-Mail-Adressen. Alles, was uns Hinweise darauf liefern könnte, wo sich ein Paar namens Tom und Kellie Bryce aufhält.« Er buchstabierte die Namen.
»Ich tu, was ich kann.«
»Danke, Andy.«
Rye kehrte an seinen Schreibtisch zurück und wurde kurz darauf von DC John Shaw ans andere Ende des Raums gerufen. Er mochte den Kollegen gern, ebenfalls ein schlauer Kopf mit akademischem Hintergrund, vom Wesen her aber das genaue Gegenteil von Andy.
Shaw arbeitete an einem besonders entsetzlichen Fotoalbum, das sie auf dem beschlagnahmten PC eines Pädophilen entdeckt hatten. Shaw hatte bereits ein gewisses Muster im Verhalten des Verdächtigen festgestellt – er prügelte kleine Kinder, bevor er sich beim Sex mit ihnen fotografierte. Das erinnerte Shaw an einen Fall, den sie kürzlich erst bearbeitet hatten, und er wollte Ryes Meinung dazu hören.
Zehn Minuten später ging Rye nachdenklich an seinen Tisch. Er war schon ziemlich abgehärtet, nachdem er so viel Schlimmes in den Computern gesehen hatte, doch die Fälle, in denen Kinder gequält wurden, verfolgten ihn nach wie vor. Daher bemerkte er auch nur flüchtig, dass Gidney seinen Arbeitsplatz verlassen hatte.
Irgendwann drehte er sich um und stellte verärgert fest, dass Andy immer noch nicht wieder aufgetaucht war.
Er stand auf und schaute sich den Bildschirm des Computerfreaks an:
Seewettervorhersage des Seewetterdienstes im Auftrag der Küstenwache, herausgegeben Montag, 6, Juni 05.55 Uhr.
Allgemeine Zusammenfassung von 0000.
Tief westliches Frankreich 1010 erwartet Südostengland 1010 um 1300. Tief Rockall 1010 stetig nach Südost ziehend. Hoch Fastnet 1010. Abschwächend.
Was um alles in der Welt wollte der Mann mit der Seewettervorhersage, wenn es im Büro an allen Ecken brannte? Wo zum Teufel steckte er überhaupt? Gidney war seit mindestens zwanzig Minuten überfällig.
Nach weiteren zwanzig Minuten wusste Rye, dass Andy Gidney verschwunden war.
Und er hatte, wie sich bald herausstellen sollte, alle fraglichen Daten vom Server gelöscht und den Laptop sowie die geklonte Festplatte mitgenommen.
77
ROY GRACE WAR NIEDERGESCHLAGEN, als er von Harry Frame wegfuhr, und fühlte sich trotz des ganzen Koffeins plötzlich ausgesprochen müde.
Da klingelte sein Handy. Es war Branson, fröhlich wie immer.
»Alles klar, Oldtimer?«
»Ich bin völlig platt. Was gibt’s Neues?«
»Einer von Gaylors Leuten hat den Papierkram von Reggie D’Eath durchforstet und einen Dauerauftrag zugunsten einer Firma namens Scarab Entertainment gefunden. Wird ganz normal über seine Barclaycard abgerechnet. Und zwar in Höhe von tausend Pfund.«
»Tausend Mäuse? Jeden Monat?«
»Ja.«
»Woher hatte ein Typ wie D’Eath so viel Geld?«
»Unter anderem indem er reiche Männer mit kleinen Kindern belieferte, würde ich sagen.«
»Wo hat die Firma ihren Sitz?«
»Das ist die schlechte Neuigkeit. In Panama.«
Grace überlegte kurz. Es gab bestimmte Länder, in denen Firmen vor Ermittlungen jeglicher Art geschützt waren. Er wusste
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