Stirb schön
Computer, oder? Und er hat die ganze Antivirensoftware, die hast du selbst installiert. Er liest CD-ROMs. Und zwar sollte er jede CD-ROM lesen können.«
Webb hielt sie in die Höhe. »Ich habe sie mir separat angeschaut, wo sie kein Unheil anrichten kann. Das ist Spyware, sie konfiguriert deine Software neu und pflanzt Gottweißwas in dein System. Und du hast sie im Zug gefunden?«
»Gestern Abend.«
»Geschieht dir recht. Hättest sie ins Fundbüro bringen sollen.«
Manchmal konnte Tom nicht fassen, dass er diesen Typen tatsächlich noch dafür bezahlte , dass er ihn beleidigte. »Danke für die Blumen. Ich wollte nur nett sein und nach einer Adresse suchen, an die ich die CD-ROM schicken kann.«
»Ja, sicher. Nächstes Mal schickst du sie mir, dann sehe ich sie mir zuerst an. Hast du sonst irgendwelche unbekannten Attachments geöffnet?«
»Nein.«
»Ganz bestimmt nicht?«
»Tu ich nie, du hast mich schon vor Jahren gewarnt. Ich öffne sie nur, wenn ich den Absender kenne. Sind meist Witze, Pornofotos, das übliche Zeug.«
»Ich schlage vor, du surfst das nächste Mal mit Kondom.«
»Sehr komisch.«
»Das war ernst gemeint. Du hast dir einen ganz üblen Virus eingefangen, extrem aggressiv. Wenn du dich heute Morgen auf deinem Büroserver eingeloggt hättest, wäre der komplett gelöscht worden und damit auch die Festplatten aller anderen Rechner der Firma. Samt Backup.«
»Scheiße.«
»Da sagst du was. Hätte es selbst nicht besser formulieren können.«
»Und wie werde ich ihn wieder los?«
»Indem du mir eine Menge Geld bezahlst.«
»Na super.«
»Oder dir einen neuen Computer kaufst.«
»Du kannst einen wirklich aufheitern.«
»Du wolltest die Fakten, ich habe sie geliefert.«
»Trotzdem, ich dachte, ein Mac kriegt keinen Virus.«
»Nicht sehr oft. Aber es gibt Ausnahmen. Vielleicht hattest du einfach Pech. Wahrscheinlich stammt er jedoch von dieser CD-ROM. Natürlich gibt es noch eine zweite Möglichkeit.« Er sah sich nach seiner Teetasse um und trank einen Schluck.
»Und die wäre?«
»Jemand könnte sauer auf dich sein.« Dann fügte Webb hinzu: »Tolle Krawatte.«
Tom schaute an sich hinunter. Lavendelblau mit silbernen Pferden, von Hermès. Kellie hatte sie kürzlich im Internet bei einem Ausverkauf erstanden – das verstand sie unter Sparen.
»Was gibst du mir dafür?«
11
SIE HATTEN DIE ZERSTÜCKELTEN ÜBERRESTE der jungen Frau unter der Zeltplane, auf die der Regen peitschte, drei Stunden lang minuziös untersucht, und um halb fünf gelangte der Pathologe endlich zu dem Schluss, dass unter diesen Bedingungen nicht mehr herauszufinden sei.
Dr. Theobald drückte Klebeband auf jeden Zentimeter nackte Haut – eine primitive, aber wirksame Methode –, da er hoffte, so weitere Fasern sicherzustellen, entnahm mit einer Pinzette Fasern aus dem Schamhaar, die er sorgfältig eintütete, und prüfte ein letztes Mal Leichenteile und unmittelbare Umgebung, ob ihm auch wirklich nichts entgangen war.
Grace wäre es lieber gewesen, wenn der Pathologe wie allgemein üblich umgehend ins Leichenschauhaus gefahren wäre und die Autopsie vorgenommen hätte. Doch Theobald teilte ihm bedauernd mit, es stehe noch eine weitere Autopsie in Hampshire an, wo es einen mysteriösen Jachtunfall gegeben hatte.
In einer Idealwelt würde man alle Autopsien an Mordopfern vor Ort durchführen, da immer die Gefahr bestand, entscheidende Hinweise, die fürs bloße Auge kaum sichtbar waren, beim Transport zu zerstören. Doch ein matschiges, windgepeitschtes Feld war nun mal kein idealer Ort. Leichen wurden ohnehin nur selten an Orten gefunden, die sich für eine Autopsie eigneten. Manche Pathologen verbrachten wenig Zeit am Tatort und kehrten möglichst rasch in die vergleichsweise angenehme Umgebung des Leichenschauhauses zurück. Dr. Frazer Theobald gehörte nicht zu dieser Kategorie. Er konnte bis spät in die Nacht am Tatort verweilen, notfalls auch bis zum nächsten Morgen, bevor er endlich sein Okay zum Abtransport gab.
Grace sah auf die Uhr. Im Geiste war er schon halb bei seiner Verabredung für den nächsten Abend. Er hätte gern Feierabend gemacht, bevor die Geschäfte schlossen. Sicher, so zu denken war unprofessionell, aber seine Schwester und alle, die ihn kannten, sagten seit Jahren, er müsse sich ein neues Leben aufbauen. Und zum ersten Mal, seit Sandy verschwunden war, war er einer Frau begegnet, für die er sich wirklich interessierte. Daher auch die Sorge, seine Garderobe könne
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