Stirb schön
Stunden, die er seinem Techniker teuer bezahlen musste. Peter Chards Schreibtisch war verlassen, Simon Wang telefonierte gerade, ebenso Maggie. Olivia brachte ihm einen Stoß Briefe zum Unterzeichnen.
Tom erledigte die Post und ließ sich dann von Chris Webb das Systemupgrade und den neuen Virenschutz erklären, die natürlich weitere Kosten bedeuteten. Und Chris konnte ihm immer noch nicht sagen, wie genau es zu dem Super-GAU gekommen war, versprach aber, die CD-ROM aus dem Zug genauer zu analysieren.
Nachdem Webb gegangen war, verbrachte Tom eine halbe Stunde mit seinen aktuellen Mails. Aus Neugier öffnete er seinen Browser und schaute sich die Legende der letzten vierundzwanzig Stunden an. Ein paar Besuche bei Google, bei jeeves.co.uk , bei Polstar Vodka, um sich auf den heutigen Termin vorzubereiten. Dann entdeckte er eine URL, die ihm überhaupt nichts sagte.
Eine lange, komplizierte Kette aus Buchstaben und Schrägstrichen. Chris Webb hatte ihm im Gehen noch gesagt, er solle keine unbekannten Websites aufsuchen, aber Tom kannte sich im Internet aus. Er wusste, dass man sich einen Virus einfangen konnte, indem man ein Attachment öffnete, nicht aber vom bloßen Aufruf einer Website. Cookies dagegen schon. Viele Händler arbeiteten mit diesem skrupellosen Trick und sendeten ein »Cookie«, sobald man sich auf ihrer Seite einloggte. Das Cookie blieb im System und berichtete über alles, was man sich danach im Netz anschaute. So konnten Firmen in ihren Datenbanken individuelle Kundenprofile anlegen und gezielt für ihre Produkte werben.
Er klickte die Adresse an.
Sofort erschien eine Mitteilung auf dem Monitor:
Zugang verweigert. Unbefugter Login-Versuch.
»Brauchst du noch was, Tom?«
Er schaute hoch. Olivia stand mit ihrer Handtasche vor ihm.
»Nein, alles in Ordnung. Danke.«
Sie strahlte ihn an. »Hab ein heißes Date. Ich muss noch zum Friseur!«
»Viel Glück!«
»Er ist Marketingleiter bei einer Verlagsgruppe. Könnte was für uns sein!«
»Zeig’s ihm!«
»Und wie!«
Er schaute wieder auf den Monitor und klickte erneut auf die Adresse.
Binnen einer Sekunde erschien die gleiche Nachricht.
Zugang verweigert. Unbefugter Login-Versuch.
Nach dem Abendessen, einem größeren Martini und fast einer ganzen Flasche eines köstlichen australischen Chardonnay saß Tom in seinem Arbeitszimmer, klappte den Laptop auf, holte E-Mails ab und begann zu arbeiten.
Zwei davon waren lohnende Folgeaufträge, über die er sich aufrichtig freute. Der Marketingleiter eines Großkunden bedankte sich persönlich bei ihm, weil er zum Erfolg des fünfzigjährigen Firmenjubiläums entscheidend beigetragen habe.
In Hochstimmung überflog er die restlichen Mails, löschte, beantwortete oder archivierte sie. Dann kam noch eine herein.
Sehr geehrter Mr Bruce,
gestern Abend haben Sie unbefugt eine Website besucht. Heute haben Sie es erneut versucht. Wir schätzen keine ungebetenen Gäste. Falls Sie der Polizei mitteilen, was Sie gesehen haben, oder jemals wieder versuchen sollten, diese Website zu besuchen, wird das, was mit Ihrem Computer geschehen ist, auch mit Ihrer Frau Kellie, Ihrem Sohn Max und Ihrer Tochter Jessica geschehen.
Überlegen Sie es sich gut.
Ihre Freunde von Scarab Productions
Noch bevor er die Worte richtig verstanden hatte, verschwanden sie wieder vom Bildschirm. Dann auch die übrigen Mails.
Wie gelähmt und unfähig, den Computer auszuschalten, musste er zusehen, wie der gesamte Inhalt seines Rechners verschwand.
Er drückte die Tasten. Aber vor ihm gähnte nur ein leerer schwarzer Bildschirm.
13
DENNIS PONDS , seines Zeichens Pressesprecher der Sussex Police, war ein Mann, auf den stets der erste Verdacht fiel, wenn etwas an die Presse durchsickerte.
Er war ein ehemaliger Journalist, sah aber eher wie ein Börsenmakler als ein Zeitungsmann aus – Anfang vierzig, das schwarze Haar mit Gel zurückgekämmt, dichte Augenbrauen und ein Hang zu smarten Anzügen. Er hatte die heikle Aufgabe, für gute Beziehungen zwischen Polizei und Öffentlichkeit zu sorgen.
Roy Grace nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche und schaute Ponds mitfühlend an. Er besaß weder das Vertrauen der Polizeibeamten noch das der Journalisten und musste die Kritik beider Seiten ertragen. Ein früherer Pressesprecher war in einer Nervenklinik gelandet; ein anderer, an den sich Grace gut erinnerte, trug stets einen Flachmann bei sich.
Ponds hatte soeben sämtliche Morgenzeitungen auf
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