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Stirb schön

Stirb schön

Titel: Stirb schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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der Gardner Street), auf der sich lauter weiblicher Krimskrams befand: Haarbürsten, Kämme, Schminkutensilien und Parfumflaschen. Ein gerahmtes Foto von Sandy im Abendkleid und ihm selbst mit schwarzer Krawatte, wie sie neben dem Kapitän der SS Black Watch standen. Es war ihre einzige Kreuzfahrt gewesen.
    Neben dem Bett die Pantöffelchen mit den Pompons. Das Nachthemd an einem Haken. Was würde eine andere Frau empfinden, wenn sie in dieses Zimmer käme, dachte er plötzlich.
    Was würde Cleo denken?
    Er hatte es sich nie eingestanden, doch in diesem Haus schien die Zeit stillzustehen. Alles war noch genau so wie an jenem Tag, an dem sich Sandy buchstäblich in Luft aufgelöst hatte.
    Er ging nach unten in die Küche und überlegte, ob er zuerst einen Tee trinken oder laufen sollte. Sein Goldfisch zog wie immer seine Runden im Kugelglas.
    »Tag, Marlon!«, sagte Grace munter. »Bisschen Frühsport? Hast du Hunger?«
    Marlon öffnete und schloss das Maul. Ein eher schweigsamer Typ.
    Er füllte den Wasserkessel, zog einen Stuhl heran und setzte sich an den Küchentisch. Dann schaute er sich auch in diesem Raum nach Spuren von Sandy um. Bis auf den silberfarbenen Kühlschrank war fast alles in Rot gehalten. Backofen und Spülmaschine, die Griffe an den weißen Schränken, Herd, Türknäufe, alles rot. Selbst der Küchentisch war rot-weiß. Sandys Geschmack. Damals war es die Modefarbe schlechthin gewesen, inzwischen wirkte es aber ein wenig antiquiert, und die Keramikoberflächen waren angeschlagen. Manche Türen hingen schief in den Scharnieren. Die lackierten Flächen waren zerkratzt und schmutzig.
    Er wusste, dass er in einer Wohnung besser aufgehoben wäre. Das Haus war für ihn, Marlon und Sandys Geist einfach zu groß.
    Grace öffnete den Schrank unter der Spüle und holte eine Rolle mit schwarzen Müllbeuteln heraus. Er riss einen ab, griff nach einem Foto von sich und Sandy und schaute es einen Moment an. Ein Fremder hatte es mit Grace’ Kamera in den Flitterwochen geschossen. Oben auf dem Vesuv. Sandy und er waren verschwitzt vom Aufstieg, hinter ihnen erkannte man den Krater mit seinen tief hängenden grauen Wolken.
    Er legte das Foto in den Müllbeutel, hielt dann aber inne, als erwarte er einen Blitzschlag.
    Nichts geschah.
    Dann überlegte er es sich doch noch einmal, holte das Foto wieder aus dem Müllbeutel und stellte es zurück ins Regal. Es würde komisch aussehen, wenn er gar keine Fotos hätte.
    Im Schlafzimmer warf er Sandys Haarbürste in den Müllbeutel, dazu alle Gegenstände von der Frisierkommode und aus dem Bad. Den Müllbeutel stellte er in das überzählige Zimmer, das sie als Abstellraum genutzt hatten, gleich neben einen leeren Koffer.
    Danach zog er Shorts, ein ärmelloses Trikot und Turnschuhe an, steckte einen gefalteten Fünf-Pfund-Schein ein und lief los.
    Seine Strecke führte ihn den Kingsway hinunter, eine breite vierspurige Straße, die an der Küste von Hove entlang verlief. Nach einigen hundert Metern begannen die Wohnkomplexe und Hotels, manche modern, andere noch im viktorianischen oder Regency-Stil erbaut, die sich an der gesamten Promenade entlangzogen. Gegenüber lagen zwei kleine Bootsteiche, ein Spielplatz, Rasenflächen, die Strandhütten und der Kiesstrand. Ein Stück weiter östlich sah man die Überreste des alten West Pier.
    Die Straßen waren verlassen, und Grace kam sich vor, als gehörte ihm die Stadt ganz allein. An den Wochenenden lief er gerne früh. Jetzt herrschte Ebbe, die Sonne stand schon hoch am Himmel. Weit draußen stakste ein Mann mit einem Metalldetektor durchs Watt. Ein Containerschiff schien reglos am Horizont zu verharren.
    Ein Fahrzeug der Straßenreinigung fuhr langsam heran, die Bürsten rotierten und sammelten die Abfälle der letzten Nacht ein, Fastfood-Verpackungen, Coladosen, Zigarettenkippen und vereinzelte Injektionsnadeln.
    Grace blieb mitten auf der Promenade stehen, nicht weit entfernt von einem Stadtstreicher, der auf einer Bank schlief, und begann mit seinen Dehnübungen. Er atmete tief ein und roch den vertrauten Geruch vom Meer, eine Mischung aus Salz, Rost und Teer, alten Seilen und fauligem Fisch, den die Pensionswirtinnen von Brighton in ihren Werbeprospekten früher gern als Ozon bezeichnet hatten.
    Dann startete er seinen Zehn-Kilometer-Lauf zum Jachthafen und wieder zurück. Auf dem letzten Stück lief er immer durch die Church Road in Hove, eine geschäftige Einkaufsstraße, wo er in einem Lebensmittelladen Milch, eine

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