Stirb schön
Brighton and Hove hat eine der größten schwulen Gemeinden in ganz Großbritannien. Ich glaube, er hätte nichts dagegen, wenn die gesamte Redaktion schwul wäre.«
Potting zwinkerte Emma-Jane vertraulich zu, in seinem Mundwinkel schimmerte ein Speicheltropfen. Er zeigte mit dem Daumen auf sich selbst: »Keine Sorge, Süße, zum Glück gibt es hier noch ein paar echte Männer. Sie müssen nur zugreifen.«
»Tu ich auch, wenn ich einen finde.«
»Norman, Ihre Ausdrucksweise ist völlig inakzeptabel«, sagte Grace. »Ich möchte Sie nach der Besprechung umgehend in meinem Büro sehen.« Dann wandte er sich wieder an sein Team. »Gut, E-J und ich haben um elf einen Termin auf der Insektenfarm in Bromley. Norman, Sie kümmern sich um Spinella und die Überprüfung des Anrufbeantworters.«
Er ging die Aufgaben aller Teammitglieder durch. Wenn alles gut ging, blieb am Nachmittag eine Stunde Zeit, um sich mit Glenn zu einem Einkaufsbummel zu treffen.
Er hatte ein etwas schlechtes Gewissen, weil er sich nicht ausschließlich auf den Fall Janie Stretton konzentrieren konnte, doch hatte er nach den furchtbaren letzten Jahren auch ein bisschen privates Glück verdient.
Sofort zog die Erinnerung an Sandy wie eine dunkle Wolke auf. Sie war immer präsent, hielt sich still im Hintergrund, und doch war ihm, als müsste er bei allem ihre Erlaubnis einholen. Er dachte schuldbewusst an die Dinge, die er erst vor wenigen Stunden in den schwarzen Müllbeutel geworfen hatte, und das nur für den Fall, dass er Cleo Morey mit nach Hause bringen würde.
Oder wollte er einfach mit der Vergangenheit aufräumen und Platz für die Zukunft schaffen?
Wenn er zur Abwechslung einmal Zeit hatte, würde er zu einem Makler gehen und das Haus zum Verkauf anbieten, Schluss, aus. Ihm war, als hätte jemand eine ungeheure Last von seinen Schultern genommen.
Glenn Bransons Telefon klingelte. Grace nickte auffordernd.
»Soko-Zentrale, DS Branson am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«
»Wissen Sie, warum die meisten Männer vor ihren Frauen sterben?«, fragte Norman Potting völlig unvermittelt.
Grace wappnete sich für den nächsten Fauxpas.
»Weil es der letzte Ausweg ist«, sagte er und erntete nichts als Kopfschütteln.
Alle Frauen stöhnten auf. Glenn Branson drückte den Hörer an den Kopf und hielt sich das andere Ohr zu, weil er nichts verstehen konnte.
Potting schien seinen Witz als Einziger lustig zu finden und gackerte vor sich hin.
»Danke, Norman«, sagte Grace.
»Ich hab noch mehr davon auf Lager.«
»Darauf möchte ich wetten. Aber es ist Viertel vor neun am Samstagmorgen. Vielleicht können Sie noch ein paar zum Besten geben, wenn wir den Mörder gefasst haben.«
»Gute Idee«, sagte Potting nachdenklich, »das hat was für sich.«
Grace schaute ihn fassungslos an. Manchmal wusste er nicht, ob der Typ aalglatt oder einfach nur blöd war. Seine Erfahrung sagte ihm, dass vermutlich beides zutraf.
Branson, der diesmal eine teuer aussehende kragenlose Lederjacke zu einem schwarzen T-Shirt trug, kritzelte eine Nummer hin. »Zehn Minuten, ich rufe zurück. Keine Sorge, nein, auf jeden Fall, danke.«
Alle schauten ihn schweigend an. »Eine mögliche Spur«, meinte er.
»Brauchbar?«
»Der Mann hat aus einer Telefonzelle angerufen, weil er sich nicht traute, von zu Hause aus zu telefonieren. Er war besorgt wegen eines Wagens, der ein Stück weiter parkte. Den will er zuerst überprüfen. Ich soll ihn in genau zehn Minuten zurückrufen.« Branson sah auf seine Uhr, ein massives Rechteck aus Edelstahl, die er bis zum Erbrechen herumzeigte. Es war eine russische Taucheruhr, die er in einem Szeneladen erstanden hatte und die als größte Armbanduhr der Welt galt. Grace hatte schon Standuhren mit kleinerem Zifferblatt gesehen.
Seitdem der Mord am Mittwoch bekannt geworden war, hatten sich bereits an die zweihundertfünfzig Leute gemeldet. Man war allen Anrufen nachgegangen, doch nur ein winziger Prozentsatz war zu gebrauchen. Nachdem der Argus über den Skarabäus berichtet hatte, würden die überregionalen Blätter die Story vermutlich aufnehmen, die Zahl der Anrufe in die Höhe treiben und der Polizei noch viel mehr Arbeit bescheren, weil sie die Durchgeknallten aussortieren musste.
»Zeitverschwendung oder brauchbar?«, fragte Grace.
»Er sagte, er habe womöglich den Mord an Janie Stretton mit angesehen.«
36
GRACE STEUERTE DEN NEUTRALEN MONDEO , neben sich Emma-Jane Boutwood in einem schicken dunkelblauen Kostüm. Sie
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