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Stirb schön

Stirb schön

Titel: Stirb schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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lautete schlicht und einfach: X.

40
    KELLIE SASS STILL IM AUTO , während Tom den Audi Richtung Brighton steuerte. Der Schein der orangefarbenen Straßenlaternen zuckte über ihr Gesicht. Das Radio war leise gestellt, es lief der Song »We have all the time in the world« von Louis Armstrong, der Tom immer sehr anrührte. Er drehte das Radio etwas lauter, um wach zu bleiben. Es war ein Uhr fünfzehn.
    Der Abend bei Philip Angelides war reibungslos verlaufen, wenn auch in ziemlich steifer Atmosphäre. Er und Kellie waren seit einigen Jahren Mitglied im National Trust und besuchten an Sonntagnachmittagen gern die Herrensitze auf dem Land. Manche dieser Anwesen waren kleiner als der elisabethanische Steinhaufen, in dem sie den heutigen Abend verbracht hatten.
    Mit sechzehn Personen hatten sie um den antiken Esstisch gesessen und wurden von einer Schar Dienstboten mit gestärkten Westen bedient. Angelides nötigte alle Gäste, die Herkunft der Weine zu erraten, angefangen mit dem Land, danach folgten Rebsorte, Geschmacksrichtung, Winzer und Jahrgang.
    Caro Angelides, die Frau des Tycoons, war so ziemlich die hochnäsigste Kuh, neben der Tom je gesessen hatte, und die Frau zu seiner Rechten war auch nicht viel besser. Das Gespräch drehte sich ausschließlich um Pferde, gesellschaftliche Ereignisse in Verbindung mit Pferden und die Jagd hoch zu Ross. Er konnte sich nicht erinnern, dass sie sich auch nur die Bohne für ihn als Person interessiert hätten.
    Während der Mann, der rechts von Kellie saß, unablässig mit seiner überragenden Intelligenz prahlte, versuchte der linke Tischherr, ein schmierig wirkender Bankier, der zu viel trank, ihr unter den Rock zu greifen.
    Alle Gäste außer ihnen waren ungeheuer reich und bewegten sich in völlig anderen gesellschaftlichen Kreisen. Sie beide hatten keine Ahnung von wirklich gutem Wein, und es ärgerte Tom, dass ihr Gastgeber sich über Kellies Unerfahrenheit lustig machte. Auch hatte er ihn nicht auf geschäftliche Themen ansprechen können. Als sie aufbrachen, fragte er sich ernsthaft, weshalb man sie überhaupt eingeladen hatte.
    Andererseits hatte der Abend aber auch seine guten Seiten gehabt. Tom hatte sich nicht danebenbenommen und mit den beiden Frauen eben über Pferde geplaudert, obwohl er abgesehen von einer Stippvisite beim Grand National keinen blassen Schimmer von Pferden hatte. Immerhin hatte er geraten, dass der Rotwein aus Frankreich kam, ein purer Zufallstreffer.
    »Was für schreckliche Leute«, sagte Kellie unvermittelt. »Da sind mir unsere Freunde aber lieber! Das sind wenigstens echte Menschen.«
    »Ich glaube, er könnte mir geschäftlich nützen.«
    Sie schwieg einen Moment und sagte dann unwillig: »Aber ein tolles Haus, einfach hinreißend.«
    »Möchtest du in so einem Kasten wohnen?«
    »Klar, warum nicht, wenn’s die Dienstboten dazu gibt. Eines Tages haben wir auch so etwas, davon bin ich überzeugt.«
    Tom drückte ihre Hand, sie drückte zurück. Er hielt sie fest, während sie schweigend weiterfuhren. Nach Hause in die Wirklichkeit.
    Seine Entscheidung, zur Polizei zu gehen, lastete wie ein dunkler Schatten auf ihm. Natürlich hatte er das Richtige getan, ihm blieb ja keine Wahl. Wie hätte er mit dem schlechten Gewissen weiterleben sollen? Sie hatten gemeinsam so entschieden, als Mann und Frau, als Team.
    Sie erreichten die Abzweigung. Er wechselte auf die linke Spur, folgte der scharfen Kurve, dann ging es bergauf bis zum Kreisverkehr.
    Kurz darauf rollten sie ins Tal hinunter, bogen links in den Goldstone Crescent ein und scharf rechts in ihre Straße. Er parkte im Carport und stieg aus. Kellie blieb angeschnallt sitzen. Tom wartete. Sie rührte sich nicht. Er schaute zu den Wagen, die auf der gut beleuchteten Straße parkten. Musterte die Schatten. Wonach hielt er Ausschau? Nach einer plötzlichen Bewegung? Einer einsamen Gestalt im Auto?
    Du drehst durch , sagte er sich und öffnete die Beifahrertür. »Home, sweet home.«
    Keine Reaktion.
    Er fragte sich schon, ob sie eingeschlafen war, doch sie starrte einfach nur vor sich hin.
    »Hallo, Liebes?«
    Sie schaute ihn seltsam an. »Ich weiß, wir sind zu Hause.«
    Tom runzelte die Stirn. Wohl einer dieser Kellie-Momente. Sie kamen in letzter Zeit immer öfter. Er konnte sie nicht genau beschreiben, aber dann und wann schien seine Frau in eine fremde Welt abzutauchen. Als er sie zuletzt darauf angesprochen hatte, fauchte sie ihn an, sie brauche Zeit für sich, Zeit zum Nachdenken.

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