Stirb schön
Protokollen fand sich auch auf einem Rechner, der im Rahmen der Großfahndung nach einem Kinderpornoring beschlagnahmt worden war und den DS Rye erst kürzlich untersucht hatte. Der Besitzer, ein gewisser Reginald D’Eath, war bereits als Sexualstraftäter registriert und in der Vergangenheit wegen tätlichen sexuellen Angriffs und Handels mit Kinderpornographie verurteilt worden.
D’Eath trat nun als Kronzeuge in einem Fall von Kinderpornographie auf, der gegen ein russisches Syndikat vorbereitet wurde, das von Großbritannien aus operierte, und war im Rahmen des Zeugenschutzprogramms in einem Geheimversteck untergebracht. Grace hatte nach der Besprechung eine frustrierende Stunde am Telefon verbracht und versucht, eine übergenaue Polizeibeamtin zu überreden, ihn mit jemandem zu verbinden, von dem er die Adresse von Reggie D’Eath erfahren konnte. Schließlich musste er sich zähneknirschend damit zufrieden geben, dass man ihn am nächsten Morgen um zehn zurückrufen wollte.
Cleo schaute ihn über den Tisch mit dem polierten Besteck und den schimmernden Gläsern an. Einfach hinreißend. Ihr Haar glänzte im Kerzenschein, ihre Augen funkelten wie Eis im Sonnenlicht. Sie hatte ein Parfum aufgetragen, das ihn förmlich verrückt machte. Es überlagerte selbst die verführerischen Düfte von Olivenöl, gebratenem Knoblauch und brutzelndem Fisch, die aus der Küche herüberwehten. Er atmete es gierig ein.
In Wahrheit machte alles an ihr ihn verrückt. Die süße Stupsnase, die sinnlichen Lippen, das Grübchen im Kinn. Die elegante cremefarbene Jacke, das graue Seidenshirt, das Tuch mit Ozelotmuster, die riesigen und dennoch klassischen Silberohrringe. Sie trug drei Ringe: einen goldenen Siegelring, ein antikes Stück mit einem von Diamanten gefassten Rubin und einen modernen Silberring mit einem eckigen blassblauen Stein.
Die klassische englische Schönheit. Und sie saß ihm hier unmittelbar gegenüber! Die Schmetterlinge tanzten wild in seinem Bauch. Alle Kellner schauten zu ihr hin, ebenso viele Gäste. Sie war mit Abstand die schönste Frau im Lokal.
Es gab nur ein Problem. Grace wusste einfach nicht, was er sagen sollte.
Der totale Blackout.
Als hätte irgendein Freak die Festplatte in seinem Kopf gelöscht. Er lächelte, suchte nach einer Bemerkung, die nicht vollkommen schwachsinnig klingen würde, griff nach einem Päckchen Grissini und stieß dabei ein leeres Weinglas um. Es fiel auf Cleos Brotteller und zerbrach.
Er spürte, wie er rot wurde. Cleo half ihm, die größeren Scherben aufzusammeln, dann übernahm ein Kellner die Regie.
»Tut mir Leid«, sagte Grace.
»Angeblich bringt es Glück.«
»Aber nur bei griechischen Hochzeiten, oder?«
»Das sind Teller, die Gläser zertreten sie bei jüdischen Hochzeiten.«
Er liebte ihre Stimme, sie klang gebildet, samtweich und selbstsicher. Eine Stimme, die in eine fremde Welt gehörte. Eine Welt voller Privatschulen, Geld und Privilegien. Die feine Gesellschaft. Sie war einfach zu aristokratisch, um im Leichenschauhaus zu arbeiten. Allerdings war Janie Stretton ebenfalls recht aristokratisch gewesen und hatte dennoch für einen schmierigen Begleitservice gearbeitet.
Vielleicht sahen die Reichen nur aus, als wären sie anders. Scott Fitzgerald, den er sehr schätzte, hatte geschrieben, die Reichen seien anders. Wenn er sich nun geirrt hatte?
»Ich – ähm – ich finde deine Ringe sehr schön«, sagte er stockend. Etwas Besseres wollte ihm nicht einfallen.
Sie schien sich aufrichtig zu freuen und hielt ihre eleganten, sorgsam manikürten Hände vor sich. »Trägst du keine?« Dann errötete sie verschämt. »Tut mir Leid, ich wollte nicht indiskret sein.«
Grace schüttelte den Kopf. »Ich hab nie einen getragen.« Fast hätte er hinzugefügt: als ich noch verheiratet war. Aber nein, theoretisch gesehen war er nach wie vor verheiratet.
Die Getränke wurden serviert. Er hob sein Glas und stieß mit Cleo an. »Zum Wohl!« Ihr Lächeln machte ihm Mut.
»Du siehst gar nicht übel aus für jemanden, der aus dem Leichenschauhaus kommt.«
»Danke vielmals.« Sie trank und konterte: »Du siehst auch ganz cool aus – jedenfalls für einen Bullen.«
Grace grinste, doch überkamen ihn erneut Zweifel wegen seiner Kleidung. Glenn hatte darauf bestanden, ihn am Nachmittag zu Luigi’s zu schleppen. Branson war Amok gelaufen, hatte die Klamotten wie ein durchgeknallter Schnäppchenjäger an sich gerissen und Grace in die Umkleidekabine und wieder heraus
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