Stirb schön
Allerdings an den seltsamsten Orten und zu den unpassendsten Zeiten.
Schließlich löste sie den Gurt und stieg aus. Er schloss den Audi ab, öffnete die Haustür und ließ ihr höflich den Vortritt.
Der Fernseher dröhnte. Mein Gott, dachte er, die Kinder schliefen doch, hatte Mandy denn keinen Funken Verstand? Er sah sich um und entdeckte überrascht, dass Lady gar nicht auf ihn zustürmte.
Kellie steckte den Kopf in die Wohnzimmertür. »Hi, Mandy, wir sind wieder da. Hattest du einen schönen Abend? Stell bitte den Fernseher leiser.«
Die Antwort ging im Dröhnen des Fernsehers unter.
Tom ging ins Wohnzimmer. Er hatte wenig getrunken und brauchte einen steifen Absacker. Aber erst, wenn er Mandy nach Hause gebracht hatte. Es war ein Stück weit zu fahren, und er wollte kein Risiko eingehen.
Im Fernseher stand ein schreiender Teenager in einer regennassen Gasse, und plötzlich beugte sich ein drohender Schatten über sie. Mandy lümmelte auf dem Sofa, ein Teenie-Magazin neben sich auf dem Boden, dazu Bonbonpapiere und eine Dose Cola. Sie schaute so gebannt auf den Film, dass sie vergeblich nach der Fernbedienung tastete, die auf dem Boden lag.
Tom kniete sich hin, griff danach und stellte den Ton ab. »Alles okay, Mandy?«
Sie schaute ihn an, verwundert über die plötzliche Stille, und gähnte. »Klar, Mr Bryce. Die Kinder waren ganz lieb, nur um Lady mache ich mir ein bisschen Sorgen.«
»Wieso?«, fragte Kellie.
Mandy setzte sich hin und zog die Schuhe an. »Sie benimmt sich irgendwie komisch. Normalerweise kommt sie immer zu mir, aber heute wollte sie gar nicht aus ihrem Korb raus.«
Tom und Kellie gingen in die Küche. Lady lag zusammengerollt im Korb und rührte sich nicht von der Stelle. Kellie bückte sich und streichelte ihren Kopf. »Lady, alles in Ordnung?«
Mandy kam in die Küche. »Sie hat vor einer Weile ziemlich viel getrunken.«
»Vielleicht der Magen«, meinte Tom und warf einen Blick auf die Reste einer hart gewordenen Pizza und einer Packung geschmolzenem Karamelleis, die auf der Arbeitsplatte lagen. Er streichelte die Schäferhündin und war plötzlich ungeheuer müde. »Hast du Bauchweh, Lady? Ist dir schlecht?«
Kellie stand auf. »Mal sehen, ob es ihr morgen früh besser geht, sonst müssen wir den Tierarzt anrufen.«
Tom malte sich düster die Rechnung aus, doch es ließ sich nicht ändern, der Hund gehörte zur Familie. »Gute Idee.«
Kellie bezahlte Mandy und sagte, sie werde sie selbst nach Hause bringen.
»Schon gut«, sagte Tom, »ich habe mich um all die guten Tropfen gebracht, dann kann ich auch fahren.«
»Ich habe auch nicht viel getrunken. Trink noch was und entspann dich.«
Das brauchte sie ihm nicht zweimal zu sagen.
Tom goss sich reichlich Armagnac ein, fläzte sich aufs Sofa und schaltete von dem Horrorfilm auf Porridge , eine gute alte Sitcom mit Ronnie Barker als Sträfling. Dann wechselte er zum American Football. Er hörte noch, wie die Haustür zuschlug und der Motor des Audi ansprang. Der erste Schluck rann ihm warm durch die Kehle.
Er ließ die Flüssigkeit nachdenklich im Glas kreisen und fragte sich, was der Unterschied zwischen einem Mann wie Philip Angelides und ihm selbst sein mochte. Welche Eigenschaften hatten ihm zu einem derart phänomenalen Erfolg verholfen, während er selbst nur Pech zu haben schien? War es reines Glück? Veranlagung? Rücksichtslosigkeit?
Kellie fuhr auf die Straße und den Berg hinunter, während sie sich mit Mandy unterhielt. Selbst wenn sie in den Rückspiegel geschaut hätte, wäre ihr der Wagen nicht aufgefallen, der ihr folgte.
Denn er war hundert Meter entfernt und fuhr ohne Licht.
41
ROY GRACE SASS IM RUCKELNDEN TAXI und starrte auf das Display seines Handys. Auf den einzelnen Buchstaben, der dort zu lesen war.
X.
Er sah ihn nur ziemlich verschwommen und war doch emotional völlig aufgewühlt. Straßenlaternen und Scheinwerfer huschten vorüber. Im knisternden Radio empörte sich ein Anrufer in einer Talkshow über Tony Blair und das öffentliche Gesundheitswesen. Grace schaute auf die Uhr. Zehn nach eins.
Wie war der Abend verlaufen?
Er schmeckte Cleo noch auf seinen Lippen. Ihr Parfum hing in der Luft, in seinen Kleidern. Gott, war sie süß. Und er hatte noch immer einen Steifen. War schon mit einem Steifen aus dem Restaurant gegangen. Und wenn sie ihn nun in ihre Wohnung eingeladen hätte …?
Er kannte die Antwort.
Aber sie hatte es nicht getan.
Er holte tief Luft, roch diesmal aber nur den
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