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Stirb

Stirb

Titel: Stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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wie die Katzen leise schmatzend darüber herfielen. Damals hätte sie sie am liebsten ins Tierheim gebracht, doch inzwischen waren diese verzottelten Stubentiger alles, was ihr von Fabienne noch geblieben war. Wie so oft zwang sie sich, die schmerzhafte Erinnerung an ihre Tochter in ihrer Wohnung in der Boxhagener Straße zurückzulassen, ehe sie ihren Dienst antrat.
    Keine zwanzig Minuten später parkte sie ihren rostbraunen Passat unweit des Einkaufszentrums, vor dem die Leiche gefunden worden war. Hausmann atmete tief durch, bevor sie aus dem Wagen stieg. Eine verstümmelte Leiche und ein leerer Magen waren eine denkbar schlechte Kombination. Magnus Kern kam über den asphaltierten Parkplatz auf Hausmann zu. Im fahlen Licht der Morgendämmerung sah er ebenso übernächtigt aus wie das Spiegelbild, von dem sie sich soeben im Badezimmer verabschiedet hatte.
    »Guten Morgen, Sylvia.«
    » Gut wäre wohl reichlich übertrieben«, erwiderte Hausmann. Sie warf einen kritischen Blick über Kerns Schulter und sah, wie die Kollegen der Spurensicherung in ihren obligatorischen weißen Einwegoveralls den Parkplatz rund um das Einkaufszentrum weiträumig absperrten. Am Straßenrand hielten erste Schaulustige auf ihrem Weg zur Arbeit an. Von der Presse schien glücklicherweise noch niemand anwesend zu sein. Etwas abseits lief Gregor Russbach aufgeregt telefonierend auf und ab.
    »Bei der Toten handelt es sich um eine vierundzwanzigjährige russischstämmige Prostituierte namens Irina Petrova. Keine Kinder. Keine in Deutschland lebenden Verwandten«, referierte er, während Hausmann ihm durch die Polizeiabsperrungen folgte. »Allerdings hat unser selbsternannter Kiez-König Andy Kuttner aus dem achten Bezirk bereits eine Kollegin von ihr ausfindig machen können. Die Lady hört auf den Namen Candy Deluxe und ging mit Petrova auf der Oranienburger Straße anschaffen. Sie hat ausgesagt, Irina Petrova zuletzt am Freitagabend gesehen zu haben, als diese zu einem unbekannten Freier in den Wagen gestiegen ist.«
    »Gute Arbeit«, meinte Hausmann anerkennend. »Wusste diese Candy noch, was das für ein Wagen war?«
    Kern schüttelte den Kopf.
    »Nur, dass es kein Taxi war.«
    »Verstehe«, murmelte Hausmann und stellte den Kragen ihres Trenchcoats hoch, als ihr der Wind in den Nacken pfiff.
    Die Tote lag keine zwanzig Meter vom Haupteingang des Shoppingcenters entfernt. Hausmann bedeutete Claudius Killing, einem jungen Mann der Spurensicherung – wegen seiner schneeweißen Haare und leichenblassen Haut von allen nur Schneemann genannt –, die Plastikabdeckung von dem Leichnam zu entfernen. Es waren Augenblicke wie dieser, in denen Hausmann ihren Job verfluchte.
    Widerwillig richtete sie ihren Blick auf die Tote. Die Frau, mittelgroß und schlank, lag bäuchlings auf dem Asphalt, das Gesicht abgewandt. Wie die vorherigen Opfer war auch Petrova splitternackt. An Armen und Beinen zeichneten sich bläuliche und grünliche Hämatome auf ihrer blassen Haut ab, und ihr schmaler Rücken war bis zum Nacken mit Striemen und Schnittwunden übersät. Ihre hüftlangen braunen Haare waren blutverklebt.
    Nach einer Weile wies die Hauptkommissarin den Schneemann an, den Leichnam umzudrehen. Der Mann tat wie geheißen, und Hausmann zuckte unmerklich zusammen. Der Anblick der Toten, deren Mund ein breiter Klebebandstreifen verschloss, übertraf alles, worauf sie sich innerlich vorbereitet hatte. An Petrovas zierlichem Hals klaffte die charakteristische Schnittwunde. Ein einziger sauberer Schnitt hatte die Halsschlagader durchtrennt. Die rundlichen, unnatürlich gen Himmel zeigenden Brüste der Frau – offensichtlich Silikonimplantate – schienen unberührt.
    Doch die Bauchdecke war oberhalb des Schambereichs geöffnet worden und gab den Blick auf die Eingeweide frei.
    »Er hat sie wirklich schlimm zugerichtet«, dachte Magnus Kern laut und schüttelte fassungslos den Kopf.
    Bestialische Folter war das Erste, was Hausmann in den Sinn kam, und sie spürte, wie sich Abscheu und Übelkeit gleichermaßen in ihrem leeren Magen ausbreiteten.
    »Bitte sag mir, dass sie zum Zeitpunkt dieser Verstümmelungen bereits tot war«, sprach sie leise vor sich hin.
    »Den Hämatomen nach müssen die Verletzungen prämortal zugefügt worden sein«, warf der Schneemann räuspernd ein. »Genaueres wird die Obduktion bringen.«
    Die Kommissarin nickte steif.
    »Wie lange ist sie schon tot?«
    »Etwa zwölf Stunden, die Körpertemperatur des Leichnams ist bereits um

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