Stirb
fünfzehn Grad gesunken.«
Hausmann sah in die aufgerissenen Augen der Toten, als versuche sie darin zu lesen, welche Qualen diese Frau durchlitten haben musste. Doch was es auch war, es lag mit hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb menschlicher Vorstellungskraft. Die Art und Weise, wie das Opfer zugerichtet worden war, konnte nur auf das Konto eines Geisteskranken gehen.
»Irgendwelche Anzeichen einer Vergewaltigung?«
»Bisher nicht, weder vaginal noch anal.«
Hausmann nickte, ohne ihren Blick von dem Leichnam zu nehmen . Du bist es also. Deine Morde sind nicht sexuell motiviert. Deshalb wurden im Labor auch bei keinem der Opfer Sperma- oder Latexspuren gefunden. Du spielst lediglich mit der Angst deiner Opfer – dein unerbittlicher Hass geht weit über sexuelle Erniedrigung hinaus.
»Können wir den Leichnam dann in die Gerichtsmedizin bringen?«, wollte der Schneemann wissen.
»Ja – das heißt, nein«, meinte Hausmann, »ich rufe Sie, sobald wir so weit sind.«
Der Schneemann verschwand Richtung Einsatzwagen.
Grübelnd schob Sylvia Hausmann das Kinn vor.
Irgendwo habe ich das Gesicht dieser Frau schon einmal gesehen.
»Oranienburger Straße, sagtest du?«, fragte sie und sah zu Kern auf.
»Hat der Kuttner gesagt«, antwortete er.
Ihr Blick schweifte über den Parkplatz.
»Was ist?«, fragte Kern.
»Auf dem Boden ist kein Blut«, stellte sie fest.
»Und?«
»Schau dir Petrova doch an, das müsste doch eine riesige Sauerei gegeben haben – aber hier ist weit und breit keine Lache zu sehen. Kein Blutspritzer. Nichts.«
Ihr Kollege nickte versunken.
»Er hat sein Opfer wieder einmal woanders ermordet und es anschließend hier ausgeladen – an einem öffentlichen Ort, quasi auf dem Präsentierteller … Genau wie bei Patricia Braun, Ricarda Scholl und Franziska Hoffmann wollte er nicht nur sichergehen, dass die Leiche gefunden wird, er wollte damit auch die größtmögliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nicht nur seitens der Polizei – jeder sollte erfahren, was er getan hat.«
Hausmann presste den Zeigefinger an ihre nachdenklich gespitzten Lippen und sah in Gedanken die Massen von Menschen vor sich, die sich tagtäglich durch die gläsernen Drehtüren des Einkaufszentrums schoben.
»Irgendwie passt das nicht zusammen.«
»Was passt nicht zusammen?«
»Petrova passt nicht ins Beuteschema …«
»Komm schon, Sylvia, das ist jetzt nicht dein Ernst«, stöhnte Kern. »Die Sache liegt doch auf der Hand – die Tote trägt eindeutig seine Handschrift. Sag jetzt nicht, du willst erst noch den Autopsiebericht abwarten.«
»Bislang waren alle Frauen brünett und nicht größer als ein Meter fünfundsechzig – Petrova ist deutlich größer«, wandte Hausmann ein und starrte ihren Kollegen an. »Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass dieser Psychopath seine Opfer jahrelang akribisch auswählt, um sein Beuteschema dann einfach so von heute auf morgen über den Haufen zu werfen!«
Kern rieb sich die Schläfe.
»Und die Schnittwunde am Hals? Fünfzig Mäuse, dass diese Schnittwunde von seinem gottverdammten Tranchiermesser stammt. Möglicherweise war diese Prostituierte für ihn nicht von größerer Bedeutung, nichts weiter als ein Trostpflaster. Immerhin hatte er eine gewaltige Niederlage zu verkraften«, überlegte er laut. »Irina Petrova wurde seit Freitagnacht vermisst – ausgerechnet seit jener Nacht, in der ihm diese Lara Simons entwischt ist. Der Elektroschock dürfte ihn zwar eine geraume Weile außer Gefecht gesetzt haben, als unsere Kollegen im Hafenbereich nach ihm suchten, fand man aber keine Spur mehr von dem Taxi …«
Hausmann nickte. »Zudem hat dieser Überfall auf das Café der Simons nochmals verdeutlicht, was für eine Wahnsinnswut er die ganze Zeit über gehabt haben muss.«
Und höchstwahrscheinlich noch immer hat.
Kern zog die Schultern hoch.
»Und Prostituierte sind leichte Opfer. Man hält am Straßenrand, wedelt mit ein paar Scheinen und schon steigen sie ein. Er wäre also nicht das geringste Risiko eingegangen.«
Sylvia Hausmann gab ein abwägendes Nicken von sich. Tatsächlich waren die Ansichten ihres Kollegen gar nicht so abwegig. Und wenn sie ehrlich mit sich war, musste sie sich eingestehen, dass Kern schon bei den vorherigen Opfern den richtigen Riecher gehabt hatte.
Plötzlich blickte die Kommissarin auf.
»Natürlich – die Razzia im Velvet Club letzte Woche! Wusste ich doch, dass ich dieses Mädchen irgendwo schon mal gesehen habe.« Und
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