Stirb
denn nicht sehe, dass das Mädchen zu erschöpft sei, um Fragen zu beantworten, war Lara energisch eingeschritten.
Zu spät hatte sie dabei bemerkt, dass der Glatzkopf die Kamera auf sie gerichtet hatte. Sofort hatte Lara sich ihren Hut tief ins Gesicht gezogen und sich verstört abgewandt. Erst in den Abendnachrichten sollte ihr klarwerden, dass die Reporterin von einem überregionalen Sender gewesen und der Beitrag deutschlandweit ausgestrahlt worden war. Die Tatsache, dass Gott-weiß-wer Laras Gesicht im Fernsehen erkannt haben konnte, bereitete ihr noch immer Magenschmerzen.
»Der Gruber sagt, wenn die Preise für den Futtermais weiterhin so explodieren, kann er seinen Schlachthof bald dichtmachen«, riss Frank sie aus ihren Gedanken.
Teilnahmslos nickte Lara und aß weiter, ohne ihm wirklich zuzuhören.
»Der Sommer fängt wohl für alle schlecht an, muss am Wetter liegen«, fuhr er fort. »Uns könnten ein paar mehr Buchungen auch nicht schaden, diese Reisegruppe hat noch immer nicht bestätigt.«
Jetzt hatte er Laras Aufmerksamkeit.
»So? Das hast du mir ja gar nicht erzählt. Und mit welcher Begründung?«
»Ach, was weiß ich … Ist wohl schlechtes Wetter gemeldet, und jetzt denken die darüber nach, vielleicht doch lieber nach Mallorca zu fahren, ts, als ob das das Gleiche wäre … – Mensch, Hendrik, hör endlich auf, mit dem Essen zu spielen!«, unterbrach er sich, als Hendrik eine Gräte in Emmas Richtung schnipste.
Im darauffolgenden Moment war auf der Straße ein Hupen zu hören. Frank reckte den Hals und spähte zum Küchenfenster hinaus.
»Das glaube ich jetzt nicht …« Ein rotes Cabriolet hielt vor dem Haus. Hinter dem Steuer eine dickliche, aufgetakelte Frau, ebenso stark geschminkt wie ihre kichernde Doppelgängerin auf der Rückbank. Daneben ein blonder Mann in aufgeknöpftem Hemd, das Gesicht hinter einer tiefschwarzen Sonnenbrille verborgen.
»Wer ist das?«, wollte Lara wissen, die Franks Blick gefolgt war.
»Das sind die Zwillinge vom Stettinger, die laufen neuerdings immer so rum.«
»Das sehe ich selbst, ich meine den Mann da.«
Frank stöhnte leise auf. »Ist wohl oder übel mein Cousin.«
Sie hob die Brauen.
»Du hast mir nie von ihm erzählt.«
»Aus gutem Grund«, schnaubte Frank. »Arne ist so was wie das schwarze Schaf der Familie.«
Der drahtige Mann in Lederjacke sprang mit einem Satz aus dem Cabriolet, nahm seine Staffelei und seine Laptoptasche und schulterte einen Seesack.
»Ich ruf euch an!«, rief er den Frauen noch nach, die ihm Küsse hinterherwerfend davonfuhren.
»Kinder, weg vom Fenster – da gibt’s nichts zu sehen, los, setzt euch wieder hin!«, ermahnte Frank Hendrik und Emma, die neugierig von ihren Plätzen aufgesprungen waren. Augenblicke später klingelte es an der Tür.
Frank aß seelenruhig weiter.
»Willst du gar nicht aufmachen?«, fragte Lara irritiert.
Ihr Lebensgefährte sah sie nur stirnrunzelnd an.
»Immerhin ist er dein Cousin«, setzte sie verwundert hinzu.
»Du kennst ihn nicht, Karoline.«
Karoline. An den Klang ihres neuen Namens würde sie sich niemals gewöhnen können.
»Dieser Kerl ist eine echte Plage, schlimmer als jeder Versicherungsvertreter«, fuhr Frank mit vollem Mund fort. »Sobald du dem die Tür aufmachst, wirst du den nie wieder los.«
Lara grinste amüsiert. So kannte sie Frank gar nicht.
»Zu spät!«, kicherte der kleine Hendrik frech und zeigte zum Küchenfenster, durch das Arne bereits freudig hereinwinkte.
Frank rollte die Augen und blickte zu Lara.
»Sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt …« Er tupfte sich mit der Serviette den Mund ab, warf sie auf den Tisch und ging zur Tür.
»Arne, du bist es wirklich«, empfing er ihn mit einem angespannten Lächeln. »Na, so eine Überraschung …«
Arne nahm die Sonnenbrille ab.
»Frankyboy, du alter Schwerenöter! Mensch, gut sieht du aus. Bisschen zugelegt, aber sonst …« Er stach ihm mit dem Zeigefinger scherzhaft in den Bauch. »Wie lange ist das her – elf, zwölf Jahre?«
»Höchstens«, meinte Frank trocken. »Also, was verschlägt dich nach Rügen? Steckst du mal wieder in Schwierigkeiten?«
Arne hob die Schultern und grinste breit.
»Bin mit dem Katamaran unterwegs, du weißt doch noch, das olle Ding von Onkel Klaus … Und da dachte ich, wo ich schon mal in der Nähe bin, schau ich mal bei meinem Lieblingscousin Franky vorbei.«
Das Kinn vorgereckt, schaute Frank ihn missbilligend an. »Komm schon, raus mit
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