Stirb
kommentarlos weiter.
»Ist heutzutage verdammt schwer, in der Schauspielerei Fuß zu fassen«, erzählte Arne, »deshalb mache ich jetzt auch was Solideres.«
»Und das wäre?«, räusperte sich Frank und konnte sich ein abschätziges Lächeln nicht verkneifen.
»Ich bin Grafiker. Ich gestalte Websites, Layouts, Flyer, was eben so anfällt. Aber das Beste ist« – er zeigte mit der Spitze seines Messers zuerst auf Frank, dann auf seinen Kopf –, »alles, was ich dafür brauche, ist hier drin. Und natürlich in meinem Laptop. Ich bin sozusagen mein eigener Herr, kann mir meine Aufträge aussuchen und überall, wann und wo ich will, arbeiten.«
Frank blickte ihn verständnislos an und legte sein Besteck über Kreuz auf den Teller.
»Weißt du schon, wie lange du bleiben willst?«, fragte er skeptisch.
»Och, mal schauen, ich bin da nicht so festgelegt …«, meinte er mit einem Achselzucken und kratzte seinen Teller leer. »Weißt du noch, früher in der Theater- AG ?« Im nächsten Moment nahm er einige Tomaten aus der Schale, warf sie in die Luft und begann damit zu jonglieren.
Emma und Hendrik sahen ihn begeistert an.
»Aber das Beste an der Theater-AG waren die Zeltlager«, erzählte Arne weiter. »Weißt du noch, Frankyboy? Du warst ein richtig wildes Tier!«
Jetzt musste auch Lara lachen.
»Alles, was bei drei nicht auf den Bäumen war …«
»Es reicht, Arne«, ermahnte ihn Frank, der zu Laras Verwunderung errötete.
»Frankyboy, jetzt hab dich doch nicht so. Reichst du mir mal den Salzstreuer?«
Mit abrupten Handbewegungen langte Frank über den Esstisch, nahm ihm die Tomaten ab und legte sie zurück in die Schale.
Das Telefon klingelte im Flur.
»Ich geh schon«, murmelte Frank und rückte seinen Stuhl zurück. Während das Telefon weiter vor sich hin läutete, machte er auf der Türschwelle noch einmal kehrt und warf Arne einen wütenden Blick zu. »Und hör endlich auf, mich Frankyboy zu nennen!« Dann verschwand er im Flur und zog die Küchentür zu.
Am Tisch blieb eine peinliche Stille zurück, bevor die Kinder leise zu kichern begannen. Auch Lara konnte nicht umhin, sich davon anstecken zu lassen.
»Und du bist echt mit dem Katamaran gekommen?«, fragte Hendrik und sah Arne mit großen Augen an. »Darf ich mal mitfahren?«
»Sicher …«
Dann sah der Junge hinüber zur Staffelei.
»Und die Bilder, darf ich die mal sehen?«
Arne räusperte sich, bevor er antwortete.
»Äh … die sind noch nicht fertig, sind noch Skizzen.«
»Und was für Bilder –«
»Hendrik, nun lass ihn doch erst mal ankommen«, unterbrach Lara, noch bevor Arne ihm antworten konnte.
Frank kam in die Küche zurück. Seine Miene kündigte schlechte Nachrichten an.
»Mein Gott, du bist ja ganz blass, was ist denn los?«, wollte Lara wissen und sprang auf. »Kinder, könnt ihr uns kurz alleine lassen?«
Emma und Hendrik schauten verstohlen auf und verließen die Küche, während Frank wieder Platz nahm.
»Das war das Krankenhaus. Meine Mutter … Es ist so weit, sie liegt im Sterben«, brachte er tonlos über die Lippen. »Ich, ich werde gleich morgen früh die erste Fähre rüber nach Rønne nehmen.«
Lara sah ihn an. Kurz überlegte sie, was sie tun sollte. »Frank, es … es tut mir so leid«, sagte sie leise. Sie lief um den Tisch herum und legte schweigend die Arme um ihn. Franks Mutter war nach ihrem Schlaganfall auf stationäre Behandlung angewiesen. Obwohl sie ihr Dasein seither an Schläuchen und Beatmungsmaschinen zubrachte, hatte die alte Dame mit einundneunzig Jahren ein stolzes Alter erreicht. Und als hätte er es kommen sehen, hatte Frank sich in letzter Zeit immer öfter mit dem Tod seiner Mutter auseinandergesetzt und sich nichts sehnlicher als ein baldiges Ende ihrer Qualen gewünscht.
»Mensch, Frank«, stieß Arne ächzend hervor und erhob sich, »ich weiß gar nicht, was ich sagen soll … Ich meine, ich kenne sie ja nicht besonders gut, aber …«
»Schon gut, lass mal«, entgegnete Frank und hob abwehrend die Hände.
Arne hielt kurz inne, dann setzte er sich wieder.
»Ich komm mit«, beschloss Lara.
Frank schüttelte beharrlich den Kopf.
»Karoline, das ist lieb gemeint, aber wir können es uns nicht leisten, die Pension zu schließen.«
»Aber wir haben doch ohnehin kaum Reservierungen.«
»Nein, nein, lass mal. Schlimm genug, dass ich ausfalle – falls die angekündigte Reisegruppe doch früher kommt, weiß ich gar nicht, wie du das alles ohne mich schaffen sollst.
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